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Asien.
zu betrachten, die ihre Eltern und Verwandten verloren hatten und
nach der gewohnten Pflege und Nahrung kläglich in den Straßen
schrien; auf der andern Seite blieben sehr alte Leute unangetastet,
wahrend ihre Kinder und Enkel um sie her eine Beute des Todes
wurden.
Die Insel Rhodos, 21 □$>?. groß und von 20,000 Men¬
schen bewohnt, liegt unweit der Südwestküste Natoliens, und ihre
Oberflache wechselt mit Bergen, sanften Anhöhen und lieblichen Tha¬
lern, die bei dem wilden Klima mit einer ununterbrochenen Vegeta¬
tion prangen. Große Waldungen verbreiten sich im Innern; auch
findet man ganze Myrthen- und Obstwaldchen, so wie viele Oliven¬
baume. Viele Denkmäler auf dieser Insel rufen das Andenken des
Johanniter-Ordens (s. I. Band. S. 472) zurück, die von 1309 bis
1522 dieselbe besaßen, und daher Rhodiserritter hießen. Merkwürdig
war im Alterthum der Koloß von Rhodos, welcher zu den sieben
Wundern der Welt gerechnet wurde. Er stand am Eingänge des
Hafens von der Hauptstadt der Insel, die gleichfalls Rhodos heißt,
und war eine 70 Ellen hohe, aus Erz gegossene Bildsäule des Son¬
nengottes oder des Apollo, und diente zugleich als Leuchthurm. Sie
soll auf zwei Felsen, die von einander 50 F. entfernt waren, gestan¬
den haben, fo daß die Schiffe unter derselben wegsegeln konnten. Im
Innern war sie mit starken eisernen Ankern verwahrt, und damit sie
recht fest ruhte, mit Steinen ausgefüllt. Man konnte inwendig zum
Feuerbecken in die Höhe aufsteigen. Den Daumen der Hand dieser
Bildsäule vermochte kaum ein Mann zu umspannen. Sie hatte eine
vergoldete Strahlenkrone, Bogen und Pfeile, und war in einzelnen
Stücken gegossen und zusammen gesetzt. Ohngefahr 200 Jahre nach
Ehristi Geburt ward dieser Koloß vollendet, allein schon 50 Jahre dar¬
nach stürzte ein Erdbeben, die überhaupt auf dieser Insel häufig sind,
denselben um, und so lag er über 400 Jahre in seinen Ruinen da,
bis nach der Eroberung von Rhodos durch die Araber, das Erz an einen
Jüdischen Kaufmann verhandelt wurde, der damit 900 Kameele belud.
Die 18—24 fUM. große Insel Skio oder Ehios, welche
unweit der Westküste Natoliens liegt, von der sie nur ein schmaler
Meereskanal trennt, wird durch eine hohe, von N. nach S. ziehende
Bergketten-4n zwei Halsten geschieden, und besteht aus Kalkstein, ist
aber sehr fruchtbar an edlen Südfrüchten und an Wein; das Haupt¬
produkt aber ist der Mastix, wovon sonst jährlich 50,000 Ctr. aus¬
geführt wurden. Der Mastixbaum, von dem der Mastix, eine Art
Gummiharz (f. II. Band^ S. 252) in Tropfen herabrinnt, wachst
auf Ehios wild, ist jedoch zugleich ein Gegenstand des Anbaues. Die
mit der Gewinnung desselben vorzüglich beschäftigten Dörfer, deren 24
sind, heißen daher Mastixdörfer, stehen unter dem besondern Be¬
fehle des Mastix-Aufsehers und genießen vor den andern Orten große
Vorrechte. Der Mastix fließt theils von selbst, theils durch gemachte