Contents: (Viertes und fünftes Schuljahr) (Teil 2 für Kl. 6 u. 5)

Gitterfenster spärlich erleuchtet war, sah er eine große Nachteule am 
Boden sitzen. Dicke Tränen rockten ihr aus den großen, runden Augen, 
und mit heiserer Stimme stieß sie ihre Klagen aus dem krummen 
Schnabel heraus. Als sie aber den Kalifen und seinen Wesir, der 
indes auch herbeigeschlichen war, erblickte, erhob sie ein lautes Freuden¬ 
geschrei. Zierlich wischte sie mit dem braungefleckten Flügel die Tränen 
aus dem Auge, und zu dem großen Erstaunen der beiden ries sie in 
gutem, menschlichem Arabisch: „Willkommen, ihr Störche, ihr seid mir 
ein gutes Zeichen meiner Errettung, denn durch Störche werde mir ein 
großes Glück kommen, ist mir einst prophezeit worden!" 
Als sich der Kalif von seinem Erstaunen erholt hatte, bückte er 
sich mit seinem langen Hals, brachte seine dünnen Füße in eine zier¬ 
liche Stellung und sprach: „Nachteule, deinen Worten nach darf ich 
glauben, eine Leidensgefährtin in dir zu sehen. Aber ach, deine Hoff¬ 
nung, daß durch uns deine Rettung kommen werde, ist vergeblich. Du 
wirst unsere Hilflosigkeit selbst erkennen, wenn du unsere Geschichte hörst." 
Die Nachteule bat ihn, zu erzählen; der Kalif aber hub an und er¬ 
zählte, was wir bereits wissen. 
4. 
Als der Kalif der Eule seine Geschichte vorgetragen hatte, dankte 
sie ihm und sagte: „Vernimm auch meine Geschichte und höre, wie 
ich nicht weniger unglücklich bin als du. Mein Vater ist der König von 
Indien; ich, seine einzige unglückliche Tochter, heiße Lusa. Jener Zau¬ 
berer Kaschnur, der euch verzauberte, hat auch mich ins Unglück ge¬ 
stürzt. Er kam eines Tages zu meinem Vater und begehrte mich zur 
Frau für seinen Sohn Mizra. Mein Vater aber, der ein hitziger Mann 
ist, ließ ihn die Treppe hinunterwerfen. Der Elende wußte sich unter einer 
andern Gestalt wieder in meine Nähe zu schleichen, und als ich einst in 
meinem Garten Erfrischungen zu mir nehmen wollte, brachte er mir, 
als Sklave verkleidet, einen Trank bei, der mich in diese abscheuliche 
Gestalt verwandelte. Vor Schrecken ohnmächtig, brachte er mich hierher 
und rief mir mit schrecklicher Stimme in die Ohren: 
„Da sollst du bleiben, häßlich, selbst von den Tieren verachtet, 
bis an dein Ende, oder bis einer aus freiem Willen dich, selbst in 
dieser schrecklichen Gestalt, zur Gattin begehrt. So räche ich mich an 
dir und deinem stolzen Vater."
	        
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