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schimmern weit umher von der Nässe der Wolken; die Gebüsche blitzen im
Sonnenscheine von kleinen Sternchen und regnen, von gaukelnden Westen
bewegt, von neuem den zu schweren Reichtum der Tropfen herab. Das
Gras, die Blumen, die in einer traurigen Mattigkeit zu verwelken schienen,
die ganze Natur fühlt die wohlthätige Erfrischung; alle Gewächse heben sich
wieder empor, und das Grün der Felder prangt in hellerem Schmucke. Die
Wälder erneuern ihre Freude; Scharen von Schwalben schwärmen wieder
im fröhlichen Fluge umher; die Herden schütteln die triefende Wolle und
blöken vor Lust; tausend kleine Stimmen schwirren in den Wiesen. Der
Wanderer verläßt segnend den schützenden Baum und setzt munterer seine
Reise fort; der Landmann eilt erfrischt wieder zu seiner Arbeit; alles froh—
lockt über die angenehme Kühlung, und alle Kräuter gießen Reichtümer von
süßen Gerüchen aus.
131. Der Herbst.
(Stoll.)
Wenn der Storch schon in wärmere Gegenden gezogen ist, und die
Schwalben in großen Scharen auf Dächern und Kirchtürmen die Sonnen—
strählen aufsuchen, dann beginnt der Herbst. Kalt sind schon die langen
Nächte; abends und morgens lagern dichte Nebel auf Dorf und Flur, und
nur mittags hat die Sonne noch ihre alte Kraft. Lange Spinnfäden fliegen
in ihrem Scheine in der Luft umher und setzen sich den Spaziergängern an
die Kleider. Prachtvoll gefärbt sind die Blätter der Bäume; rot, braun,
gelb und grün sind sie gemischt, und bald werden sie vom Herbstwinde und
vom Regen herabgeschüttelt. Sie decken die abgefallenen Samenkörner und
geben vielen Pflänzchen Schutz vor der Winterkälte. Auch Raupen, Larven,
Käfer und Schnecken bergen sich zwischen ihnen.
Von den größern Tieren haben einige sich Höhlen gegraben, und
darin legen sie sich jetzt ein weiches Lager zurecht, um den Winter bequem
zu verschlafen; so der Igel und der Dachs. Große Vorräte von Feld—
früchten hat sich überdies der Hamster gesammelt, damit er bei seinem Er—
wachen im Frühlinge nicht für Nahrung zu sorgen braucht. Die Tiere, die
den Winter über munter bleiben, ziehen im Herbste ein wärmeres Kleid an,
damit auch sie nicht frieren müssen.
Vollauf sind die Menschen jetzt beschäftigt, die Gaben, welche Feld
und Wald bieten, zum Wintervorrat einzusammeln. Der Keller öffnet sich
und nimmt Kartoffeln, Rüben und Kraut auf, und die Scheuer sitzt bis
unter das Dach hinauf voll schwerer Getreidegarben, die nur auf die
Drescher warten. Äpfel, Birnen, Nüsse und Zwetschen werden geerntet,
und ein besonderes Fest ist die Traubenlese.
Sind dann auch die Vorräte von Holz oder Steinkohlen in das Haus
geschafft, dann können die Menschen in warmer Stube und bei guter Kost
getrost den Winter erwarten.
132. Der Winter.
(Christian Kaspar Lorenz Hirschfeld.)
Sie sind verschwunden, die reizenden Tage, und hinterlassen uns
außer dem süßen Andenken, sie genossen zu haben, nichts als Bilder der
Vergänglichkeit. Wie hat sich die ganze Gestalt der Natur verändert, und