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aber noch schöner ausnehmen, wenn'ihre Bogen nicht verbaut wären.
In der Nähe, kaum V4 Stunde von der Stadt, liegt das Schloß
Voigtsberg, einst Sitz einer Linie der alten Voigte. Wie we¬
nige Burgen Sachsens hat diese den Stürmen der Zeit getrotzt,
und der alte Thurm, welcher im Schloßhofe sich erhebt, und freilich
zum Theil abgetragen werden mußte, soll im II. oder 12. Jahr¬
hundert erbaut worden sein. Am Schloßthore sieht man noch sehr
deutlich die Vorrichtung zur Bewegung der Zugbrücke. Jetzt ist
das Schloß Voigtsberg Sitz des Justizamts, und der hiesige Amt¬
mann bewohnt den Fürstensaal, von wo aus man die schönste
Aussicht aus Oelsnitz und die Umgegend hat. Gar freundlich um-
giebt das Schloß von der einen Seite das Dorf Voigtsberg.
In früheren Jahrhunderten ist auch diese vaterländische Stadt durch Krieg
und Brand vielfach heimgesucht worden. Schreckliches litt Oelsnitz 1430 durch
die Hussiten, Schrecklicheres noch im dreißigjährigen Kriege, vornehmlich aber
im I. 1632. Die Stadt diente damals, wie die meisten Städte unsers Vater¬
lands, als Festung. Mit der geringen Mannschaft, welche Johann Georg I.
zur. Vertheidigung der Stadt gesendet hatte, verbanden sich die waffenfähigen
Bewohner der Stadt, fest entschlossen, sie so lange als möglich gegen die feind¬
lichen Angriffe zu vertheidigen. Zwei Anläufe der Feinde hatte die Stadt am
11. und 12. August glücklich überstanden. Da näherte sich am 13. August der
Wüthrich Hoike mit seiner furchtbaren Schaar. „Es wurden zwar noch einmal
Verhandlungen mit der Stadt angeknüpft; allein während sich die Bürger mit
Berathschlagnngen beschäftigten, überstiegen die Eroaten, Panduren und Wallo¬
nen die doppelten Gräben usid Ringmauern, und nun war aller Widerstand verge¬
bens. Ein fürchterliches Blutbad begann, und gegen 1000 Menschen fielen
theils durch das Schwerdt dieser raubgierigen Krieger, theils durch das empörte
Element der Flammen. Weder des Priesters am Altar, noch des Kindes im
Muttcrleibe wurde geschont; weder das silberweiße Haar des Greises, noch das
unschuldige Lächeln des Kindes vermochte den Grimm der wüthenden Rotte
auszuhalten, und nichts war zu heilig, was man nicht entheiligt hätte. Während
der Nacht ging die Stadt in Feuer auf, das so schnell um sich griff, daß Niemand
dem empörten Element ausweichen konnte und über 500 Menschen elendig¬
lich in den Kellern erstickten. Selbst dem Feinde verbrannten gegen 200
Pferde und vieles Gepäck, wobei insbesondere Piccolomini einen ungeheuern
Schaden erlitt, indem ihm sein silbernes Tafelgeschirr, gegen 200,000 Thaler
an Werth, nebst zwei Andalusischem Streitrossen verbrannte. Die ganze Stadt
war ein Aschenhaufen geworden ; die Einwohner waren theils! gemordet, theils ge¬
fangen hinweg geschleppt, und Oelsnitz blieb über 4 Wochen lang unbewohnt*)."
llnfer Weg führt uns nun zu dem nur 2 Stunden entfernten
Schon bei unsrer Wanderung durch die Vorstadt sehen
wir an den meisten Fenstern fleißige Mädchen an ihren Stickrah¬
men sitzen. Ausnähen und Sticken beschäftigen nämlich hier die
Hände ärmerer Mädchen ebenso wie im Erzgebirge das Spitzem
klöppeln. Wir wandern nun zunächst über die große, steinerne El¬
sterbrücke der schönen großen Stadtkirche zu, und gleich beim Ein¬
tritt in dieselbe zieht das Meisterstück des Malers Friedrich
Matthäi, das Abendmahl des Herrn, ein herrliches, kunstvolles
Altargemälde, unsere Aufmerksamkeit auf sich. Auch in der Sa¬
kristei finden wir ein Bild desselben Meisters: die Verkündigung
*) Jahn, Geschichte des Sächsischen Voigtlands S. 47.