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wieder zersplittert wurde. Childebert nahm seinen Sitz in Paris und er erhielt
Neustrien. 200 Jahre lang herrschten Fehde und Bruderzwist und das Ansehen der
Könige war nur ein Schatten. 752 steckte Pipin der Kleine den letzten Mero-
vinger in's Kloster und ließ sich zum Könige salben. Ihm folgte sein berühmter Sohn
Karl der Große, der sein Reich über Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien
ausdehnte. Durch den Vertrag zu Verdun (843) kam Frankreich an Karl den
Kahlen. Wieder folgte eine Zeit gewaltiger Unruhen, bis Hugo Cap et, Graf von
Paris, sich des Reiches bemächtigte. Seine Dynastie regierte bis 1328, wo die Dynastie
Valois auf den Thron kam. 1589 kam in Heinrich IV. das Geschlecht der Bour¬
bonen auf Frankreichs Thron. Unter seinen Nachfolgern rundete sich Frankreichs Gebiet
immer mehr ab, so daß es unter Ludwig XVI. fast seine jetzige Gestalt hatte. Unter
den Regenten, welche unmittelbar vor jenem unglücklichen Könige regiert hatten, war der
Grund zum Umsturz des Reiches gelegt worden. Ludwig XVI. mochte wol den Willen
haben, das zerrüttete Reich zu heben, allein es fehlte ihm die nöthige Kraft. 1789 brach
die Revolution aus, welche den König unter die Guillotine und das Reich in die größte
Verwirrung brachte. Bis 1804 war nun Frankreich eine Republik. Napoleon, diesem
außerordentlichen Manne, gelang es, sich zum Herrscher des Volkes auszuwerfen und die
Republik in ein erbliches Kaiserreich umzuwandeln. Er herrschte mit gewaltigem Arm bis
1814, wo seine Macht gebrochen wurde, um 1815 gänzlich unterzugehen. Die Bourbonen
kamen wieder auf den Thron. Die Juli-Revolution 1830 gab dem Reiche eine ein¬
geschränkte monarchische Verfassung. Der König hatte die ausübende Gewalt, die gesetz¬
gebende theilte er mit der Kammer der Pairs und mit der Kammer der Deputirten.
Louis Philipp regierte bis zum 24. Februar 1848, wo er durch den Ausbruch der
dritten Revolution vertrieben und dem Königthume ein Ende gemacht wurde. Das
Reich wurde wieder zur Republik erklärt und eine provisorische Regierung ernannt.
Napoleon's Neffe, Louis Napoleon, wurde zum Präsidenten erwählt und durch seinen
sogenannten Staatsstreich gelang eö ihm, die Republik in ein Kaiserreich und sich zum
Kaiser der Franzosen zu erheben.
8. 61.
Die Bewohner Frankreichs.
Wie schon oben angedeutet, gibt es unter den Franzosen noch deutliche Spuren
ihres verschiedenen Ursprungs. Der Basken an den Pyrenäen und der Deutschen in
Elsaß und Lothringen haben wir schon gedacht. Auch die Bewohner der Normandie
tragen den Beweis ihrer Abstammung von den Normännern in der Schönheit des
Geblütes an sich; sowie sich auch die Verwandtschaft der Bretagner mit den Briten nicht
verkennen läßt. Die Südfranzosen — Gascogner — sind mit den Spaniern und die
Provencalen mit den Italienern verwandt. Die eigentlichen Franzosen bewohnen das
mittlere und nördliche Frankreich, wo auch das reine Französische gesprochen wird. Die
französische Sprache ist fließend und wohllautend und eignet sich besonders zur Umgangs¬
sprache, weshalb sie auch, mit der französischen Mode, in den gebildeten Kreisen fremder
Nationen einheimisch geworden ist. Die Sprache charakterisirt das Volk. Der Franzose
ist gefällig und gesprächig, galant und witzig, er hat Geschmack, Anstand und Höflichkeit;
jedoch artet nicht selten seine Heiterkeit und Lebhaftigkeit in Leichtsinn aus. Man muß
es den Franzosen zum Ruhme nachsagen, daß Reinlichkeit und Nüchternheit fast allgemeine
Tugenden sind. Trotzdem ist eine gewisse Genußsucht diesem Volke eigen; denn in keinem
Lande hat die Kochkunst eine solche Feinheit der Kultur erreicht, als in Frankreich. Putz-