fullscreen: Lesebuch für die Volks- und Bürgerschulen in Mecklenburg-Schwerin

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Schutz fanden, als auf dem platten Lande. Eine Hungersnoth brach aus 
und steigerte sich zu einer solchen Höhe , dass die Menschen zu den 
ekelhaftesten und ungesundesten Nahrungsmitteln ihre Zuflucht nehmen 
mussten. Stroh und Gras und Baumrinde wurden gegessen, gefallenes 
Vieh mit Gier verschlungen. Selbst Kinder sollen getödtet und Leichen 
von den Schlachtfeldern geholt sein, um den Hunger zu stillen. Unter 
den zusammengepressten , hungernden Haufen brach die Pest aus und 
fand in dem schrecklichen Elend einen furchtbaren Verbündeten. Die 
Menschen fielen, wie die Fliegen an der Wand. Bald konnten die Todten 
nicht mehr begraben werden. Man warf sie über die Mauer und liess 
sie den wilden Thieren zum Frass. In Neubrandenburg sollen 8000, in 
Güstrow gar 20,000 Menschen gestorben sein , was immer möglich sein 
kann, da, wie gesagt, das Landvolk von allen Seiten in die Städte ge¬ 
flohen war. 
In den Jahren 1643 und 44 war Mecklenburg noch einmal der Schau¬ 
platz des Krieges, als die Schweden nach Dänemark zogen und die Kai¬ 
serlichen ihnen auf dem Fuss folgten. Doch erreichte die Noth bei 
weitem nicht die schreckliche Höhe, welche sie in den dreissiger Jahren 
gehabt hatte, und ging auch bald vorüber. 
Als der Krieg beendigt war, mochte Mecklenburg noch 50,000 Ein¬ 
wohner haben. Die Städte hatten etwa drei Viertheile ihrer früheren 
Bevölkerung, das platte Land noch mehr verloren. In Sternberg lebten 
ein Jahr lang einige Dutzend Menschen und richteten sich unter Schutt 
und Trümmern kümmerlich ein. Im Amte Stavenhagen lagen dreissig 
Dörfer wüste. Im Amte Gnoien waren drei Bauern und drei Kossäten, 
im Amte Neukalen ein Bauer und zwei Kossäten am Leben. Eine Menge 
Dörfer waren gänzlich untergegangen und sind nie wieder aufgebaut 
worden. In den eigentlichen Schreckensjahren hatte Rostock am we¬ 
nigsten zu leiden; denn die Herzoge von Mecklenburg, aus Furcht, es 
möchten sich die Schweden der Stadt bemächtigen, hatten eine starke 
Besatzung hineingelegt. Die Rostocker waren anfangs damit gar nicht 
zufrieden gewesen; aber hinterher haben sie die Vorsorge des Herzogs 
preisen gelernt. Denn während das übrige Land auf eine wahrhaft kan¬ 
nibalische Weise verwüstet wurde, war Rostock die einzige Stadt, welche 
keinen Feind in ihren Mauern sah, dagegen vielen Flüchtlingen von nah 
und fern einen sicheren Aufenthalt gewähren konnte. 
Der Verlust an Menschen wurde nur sehr langsam und zum Theil 
von aussen her wieder ersetzt. Fremde Soldaten, die eben in Mecklen¬ 
burg waren, als sie Sie Waffen niederlegen mussten, namentlich Schwe¬ 
den, blieben in dem entvölkerten Lande und wurden gerne aufgenom¬ 
men. Aus Holstein, Dänemark und andern Ländern, die weniger durch 
den Krieg gelitten hatten, kamen Ansiedler nach Mecklenburg und lies¬ 
sen sich hier nieder. Die Namen Nehls, Jenss, Ehrich, Bannier und 
andere weisen nach Schweden und Dänemark hin. Die holsteinischen 
Namen sind deutsche und deshalb am Klange nicht zu erkennen; doch 
sollen im Westen unseres Landes mehrere Namen vorkommen, die im 
Osten fast gar nicht, in Holstein aber sehr oft gefunden werden und da¬ 
durch auf ihren Ursprung zurückweisen. 
Schrecklich war das sittliche Verderben, welches der Krieg hervor¬ 
rief. Ein ganzes Geschlecht wuchs in den wilden Stürmen auf und lernte 
es gar nicht anders kennen, als dass rohe Gewalt die Welt regiert. Die 
schönen Gottesdienste der Väter gingen unter, die Schulen verfielen, Er¬ 
kenntniss des Heils verschwand. In demselben Masse, wie die Gottes¬
	        
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