Object: Das Mittelalter (Teil 2)

182 Erste Abteilung. Zweiter Abschnitt. Geschichte des Mittelalters. 
alle von Jnnoeenz dem heiligen Stuhle erworbenen Städte und Land- 
schasten, die ehemals dem Kaiser zustanden, gelobte nicht nur von neuem 
den schon bei seiner Krönung in Deutschland versprochenen Kreuzzug, 
sondern auch jeden Beistand zur Vertilgung der Ketzer. Er lieh 
auch in Deutschland dem Ketzerrichter und seinen Gesellen den Arm seiner 
weltlichen Herrschaft, weil er aus politischen Gründen mit dem Papste 
i och nicht brechen wollte, so wenig er die Gesinnungen seiner Zeit über 
die Ketzer teilte. 
Dem Weltlichen, geistig Freien. Sinnlichen ist Friedrichs 
.»Natur zugewandt. Sein Äußeres, das blühende Gesicht und der 
schöne kräftige Wuchs erinnert an seinen Großvater; die glänzendblauen 
Augen und die regelmäßigen Gesichtszüge, welche sich dem Ideal antiker 
Schönheit näherten, drückten in den glücklichen Lebensmomenten noch mehr 
den heiteren Zug des Herzens aus als bei Friedrich I., aber auch seine 
Leidenschaften waren heftiger und rissen ihn oft zur Grausamkeit, bis 
zur Billigung des Meuchelmordes gegen die Gegner hin. Bei dem 
frühen Tode der Eltern hatte dem Knaben der Segen des Familien- 
lebens gefehlt, und die Vermählung mit seiner ersten Gemahlin, 
Konstanze von Aragonien, die zehn Jahre älter war als er, konnte ihm 
diesen Verlust nicht ersetzen. Schon in jungen Jahren von übermütigen 
Großen bedrängt und bedroht, hat der verwaiste Jüngling früh lernen 
muffen, sich selbst zu vertrauen, hat er Selbständigkeit im Denken 
und Handeln, berechnende Klugheit und eine seltene Menschen- 
L tintnis erlangt. Aber diese Menschenkenntnis wurde oft zur Menschen- 
Verachtung, die Selbständigkeit zur Selbstsucht und Geringschätzung 
dessen, was für andere ein geheiligtes Ansehen hatte, und zu der ein- 
fachen Klugheit gesellte sich Listigkeit und die Kunst der Verstellung. 
lU :r das ganze Wesen des jungen Fürsten, dem nie ein teilnehmendes 
Herz entgegengeschlagen hatte, verbreitete sich ein satirischer Zug, eine 
eisige Kälte, die nur in einzelnen Füllen durch heftige, aus den Tiefen 
der Seele kommende Gefühlsergüsse durchbrochen wurde. Ausgerüstet 
mit reichen natürlichen Gaben des Geistes, ist er geziert durch den 
Schmuck der Bildung; er sprach und schrieb deutsch, lateinisch, 
griechisch, italienisch und arabisch. „Ein Freund profaner Wissen- 
1 chaft, von unersättlichem Durst des Wissens, beförderte und betrieb er 
mathematische, astrologische, naturwissenschaftliche und medizinische Studien; 
zugleich liebte er die Poesie und versuchte sich in jener leichten erotischen 
Dichtung, die von den Provenzalen ausging und in Italien vielfach 
Verbreitung und Nachahmung fand. Einer heiteren sinnlichen Lebens- 
anschauung hingegeben, war er ein Freund der Frauen, aber nicht 
mehr in der ritterlichen Weise früherer Jahrhunderte, sondern nach 
morgenländischer Art: eifersüchtig, streng gegen die eigenen Gemahlinnen 
bis zum Extrem, legte er seinen Begierden selbst keinen Zügel an, hielt 
arabische Tänzerinnen an seinem Hofe, ja einen förmlichen Harem. Durch 
die Kreuzzüge war, wie früher in Spanien, eine nähere Berührung 
der europäischen Welt überhaupt mit dem Muhammedanismus her-
	        
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