Full text: Die europäisch-germanischen Staaten (Theil 1, Abth. 2, 1, A)

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Europa. Das Herzogthum Nassau. 
Wälder besonders groß, frisch, krä,tig, ihr Charakter im Allgemeinen grade, offen, bieder, 
religiös, kirchlich, fleißig und häuslich, besonders in den Gebirgsgegenden. Die Lebens¬ 
weise der Gebirgsbewohner sehr einfach, Brodt aus Mengefrucht, d. i. Gerste mit 
Hafer oder nur geschrotenes Roggenbrodt, selten Fleisch, der Weinbauer schon an viele 
Bedürfnisse gewöhnt; die Landestrachten verlieren sich je mehr und mehr, Modesucht 
tritt an ihre Stelle, viele althergebrachten Sitten sind durch den Geist der frühern und 
der jetzigen französischen Revolution vernichtet worden. 31 Städte, 36 Flecken, 819 
Dörfer, 249 Höfe und einzelne Wohnungen, 892 Mühlen, 52 Hütten- und Hammer¬ 
werke, 7 herzogl., 5 standesherrl. Schlösser; 1823: 56,200, 1844, 66,000, jetzt gegen 
7O,OOO Wohnhäuser mit 102 Mill. Fl. Brandversicherungswcrth. Die größte Stadt 
Wiesbaden, mit 15,000, außerdem keine Stadt über 35OO E., Limburg 3500, 
Biebrich 3100 C., 17 mit mehr als 2000 E. 
Hauptnahrungsquelle des Landes ist Ackerbau und Viehzucht, nicht 
unwichtig sind die Mineralquellen, die Forstwirthschaft, das Berg- und Hüttenwesen, 
der Wein- und Obstbau, im Ganzen beschränkt das Gewerbewesen; über 702,000 
Morgen Ackerland, gegen 200,000 Morgen Wiesen, gegen 107,000 Weide- und 
Treischland, über 15,500 M. Weinberge, 7500 M. Gärten, 736,000 M. Waldun¬ 
gen, unfruchtbares Land u. s. w. 40,000, Gewässer gegen 171,000 M. Der bei 
weitem größere Theil des Ackerlandes ist im kleinen Grundbesitze mit kleinen unansehn¬ 
lichen Häusern, sehr selten sind Bauerhöfe mit mehr als 40—50 Morgen Land; 1845 
waren 44,146 ackerbautreibende Grundbesitzer, über 10 '/2 °/0 der damaligen Bevöl¬ 
kerung. Die Aemter Höchst, Hochheim, Wiesbaden, Runkel, Limburg, Dietz, Hada¬ 
mar zeichnen sich durch Güte und Fülle aller Fruchtgattungen aus, mit einem bis 
20fältigen Ertrage bei Weizen und Roggen, 24fältig bei Gerste, 40fältig bei Hafer; 
meist Dreifelderwirthschaft; im hohen Westerwalde Treischwirthschaft, in den Hau¬ 
bergen Acker- und Forstwirthschaft mit einander verbunden, nach 16 — 20 Jahren 
werden die Berge abgetrieben und dann 2 — 3 Jahre zum Ackerbau benutzt, und dann 
wieder dem Holzwuchs überlassen; für Wiesenbau und Wiesenvermehrung geschieht 
neuerdings sehr viel; der in den Aargegenden erbaute Weizen wird in Amsterdam beson¬ 
ders geschätzt und zum höchsten Preise verkauft. Gartenbau fast nur auf die Städte 
beschränkt, Gemüsebau beschränkt, der Obstbau hebt sich aufs Erfreulichste, an 
den Landstraßen steht mehr als 1 Mill. Obstbäume, zu Dietz und Cronenberg sind treff¬ 
liche Obstbaumschulen; ganze Schiffsladungen frischen und getrockneten Obstes werden 
auf dem Main und Rhein versendet; in allen Gemeinden müssen Baumschulen ange¬ 
legt werden. Der Weinbau, von 2056 Weinbergsbesitzern betrieben, liefert die 
edelsten deutschen Weine; im Rheingau und um Hochheim wachsen auf sonnigen Hügeln 
die berühmten Stein-, Johannis-, Gräfenberger, Rüdesheimer, Asmannshäuser, Rauen- 
thaler, Markobrunner, Hochheimer Weine; durch größere Sorgfalt werden jetzt auch 
in geringern Lagen gute Weine gezogen; am meisten wird die kleine gewürzhafte Ries¬ 
lingstraube, die Kleinberger und Rulländer gezogen, Rüdesheim gewinnt seine Weine 
aus Orleans-, Asmannshausen aus Klebrodtrauben; verschieden ist der Weinertrag 
nach Lage, Boden und Jahren; in vollkommenen Jahren bringt ein Weinberg in leich¬ 
tem Boden nicht wohl über 1 Stück, in schwerem 2 und mehr; in vorzüglichen Herbsten 
werden im Rheingau 5 — 6000 Stück oder 45,000 Ohm, oder 7,800,000 Flaschen 
gezogen; von 1626 — 1834 waren in 209 Jahren nur 93 gute Weinjahre, oder in 
20 Jahren nur 9; von Lorch abwärts wird ein beliebter, leichter Trinkwein gewonnen, 
je weiter abwärts nimmt er an Geist und Gehalt ab; die besten Lahnweine sind die 
rothen, besonders die um Runkel, Nassau.
	        
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