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an unter denen, die ihrem Herrn am treuesten dienen. Er ist ein ganz
vortreffliches Thier, lernt nach kurzer Zeit jeden Blick und Wink des
Schäfers kennen, jedes Wort verstehen und mit großer Ausdauer jegliche
Beschwerde ertragen. Es gibt in der That Schäferhunde, welche jedes
Wort ihres Herrn verstehen. Ein aufmerksamer Beobachter erzählte, daß
er gehört habe, wie ein Schäfer seinem Hunde befahl, den „Raps" be¬
sonders in acht zu nehmen. Das Thier stutzte, wahrscheinlich weil es
das Wort früher noch nicht gehört hatte. Weizen und Roggen, Hafer
und Gerste, Wiese und Feld waren ihm bekannt, vom Raps jedoch wußte
er noch nichts. Nach kurzer Ueberlegung machte er die Runde um die
Herde, untersuchte die einzelnen Felder und blieb endlich bei demjenigen
stehen, dessen Frucht sich von den ihm bekannten Früchten unterschied: das
mußte das Rapsfeld sein, und dem war auch wirklich so! •—- Man ver¬
wendet den Schäferhund gewöhnlich schon im ersten Jahre seines Alters als
Wächter der Herde, muß ihn aber öfter züchtigen wegen der ihm ange¬
borenen Bissigkeit und Heftigkeit. Mit der Zeit lernt er seinen Berus
vollständig ausfüllen. Das Thier, welches sich von der Herde entfernt,
holt er zurück; wenn ein leckeres Schaf sich dem Rande des Kleefeldes
nähert, rasch sieht es den Hund vor sich; störrige Schafe packt er am
Hinterbeine, aber ohne zu beißen; er führt die Herde an, damit kein
Schaf vorauslause, er schließt sie, damit keins zurückbleibe. — Beim
Kuhhirten ist sein Betragen ein anderes. Er beobachtet seinen Herrn
genau und merkt auf, wenn dieser etwas befiehlt. Rinder, welche nicht
gehorchen, muß er wirklich beißen, sonst lernen sie ihn nicht fürchten.
Einer Kuh darf. er nur nach den Hinterbeinen beißen, nie nach dem
Schwänze oder an die Seiten. Schlägt ein Rind nach ihm, so muß er
sich wohl in acht nehmen, aber dennoch beißen. Geht ein Rind mit
den Hörnern auf ihn los, so trügt er dennoch den Sieg davon, indem
er das Thier in die Schnauze beißt und sich daran hängt. Lämmer und
Mutterschafe darf er uie beißen, er muß dann bloß so thun, als ob er
beißen wollte. Brehm.
7. Der junge Hund.
Ein modriger Stall, eine morsche, dürftige Hütte oder gar ein ver¬
lassener, fast obdachloser Winkel, das ist nur zu oft die Wiege des
Thieres, das vermöge seiner Klugheit, seiner großen Eigenthümlichkeit
und seiner ganzen Lebensgeschichte dem Menschen in der großen Kette
der lebendigen Wesen am nächsten steht. Wahrlich, hier bewährt sich die
Wahrheit der Erfahrung, daß aus Armut und Niedrigkeit nicht selten
das Gute und Beste erwächst.
Nehmen wir den kleinen Thierweltbürger aus seinem Geniste hervor,
erheben wir ihn mit Liebe ■— denn er hat gleich uns eine Seele — zu
der Stelle, die ihm gebürt, an unserer Seite, und begleiten wir ihn durch
seine erste Jugendzeit.
Fürwahr, ein unbeholfener, kleiner Bündel, dieses vielfach in Farbe,
Gestalc und Größe ändernde Hundekind! Aber in dem einen Ausdrucke
bleibt es sich durch alle Arten gleich, in seinem runzeligen, durchfurchten
Gesichte, das nicht die glatten, hellen Züge glücklicher Jugend trügt.