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in den Hafen einlaufen konnte. Drei Tage und drei 
Nächte war es ein Spiel der Wogen, big es, in der 
Nacht vom 12ten auf den IZten, einige hundert Schritte 
vom Ufer auf den Sand lief. Der Sturm würhele 
immer stärker fort, die tobenden Wellen rissen ein Stück 
nach dem andern vom Schiffe weg, und Todesangst 
und Verzweiflung ergriff das arme Schiffsvolk und die 
darauf befindlichen Reisenden. Unter den Zuschauern 
am Ufer waren Viele, die ihr Leben für die leidenden 
Brüder gewagt hätten, wenn es nicht gar zu sichtbar- 
gewesen wäre, daß die Gewalt des Sturms ihre Be¬ 
mühungen vereiteln würde. Endlich kam der Lootsen- 
anführer Tode und sahe es. Seit mehr als dreißig 
Jahren war sein ordenlliches Geschäft, den mit Wind 
und Weilen kämpfenden Schiffen beizuspringen, und sie 
sicher in den Hafen zu führen. Manche Thränen des 
Dankes hatte er von den Wangen der Geretteten flie¬ 
ßen sehen, manche verirrte Seele war, gerührt Durch 
die Errettung ans der Gefahr, zu Gott zurückgekehrt, 
und so hatte Tode, zur größten Freude seines Herzens, 
ihr zeitliches und ewiges Leben zugleich gerettet. Kaum 
sah er jetzt die Noth der Gestrandeten, so eilte er nach 
Hause, um die nöthigen Anstalten zu ihrer Rettung zu 
treffen. Seine Frau siel ihm uin den Hals, bat und 
flehte, doch sein Leben zu schonen; denn unmöglich sei 
es, die Trümmer des Schiffs zu erreichen. Die Kin¬ 
der umfaßten seine Kniee, hielten ihn fest und schrieen: 
„Hörst du nicht, wie das Meer braust, und die Winde 
heulen? Bleib, o, bleibe bei uns! wir haben ja sonst 
keinen Vater!" — „Was kümmert mich das Brausen 
des Meeres, und das Heulen der Winde!" sagte er, 
„ich höre nichts, als daS Jammergeschrei der Unglück¬ 
lichen; es Dringt durch das Geheul der Winde und daS 
Brausen der See zu meinen Ohren. Laßt mich! sie 
strecken schon ihre Hände nach mir aus. Und, Kinder! 
ihr habt noch einen Vater im Himmel, Der befiehlt's 
wir und wird helfen, daß ich wiederkomme. — Schon 
vielmals hat Er mich aus den größten Gefahren gezo-
	        
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