Full text: (Für das 2. und 3. Schuljahr) (Teil 1, [Schülerband])

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konnte. Aber die Stadtmaus sprach: „Du bist eine arme Maus. 
Was willst du hier in Armut leben? Komm mit mir in die 
Stadt, ich will dir und mir genug schaffen von allerlei köstlicher 
Speise.“ 
2. Die Feldmaus zog mit ihr hin in ein herrliches, schönes 
Haus, in dem die Stadtmaus wohnte. Sie gingen beide in die 
Vorratskammer. Da war vollauf Brot, Käse, Speck, Wurst, Butter 
und dergleichen. Da sprach die Stadtmaus: „Nun iß und sei 
guter Dinge! Solche Speisen habe ich täglich im Uberflub.“ In— 
dessen kommt der Kellner und rumpelt mit den Schlüsseln an der 
Tür. Die Mäuse erschrecken und laufen davon. Die Stadtmaus 
fand bald ihr Loch, aber die Feldmaus wubte nirgend hin, lief 
ängstlich die Vand auf und ab und brachte kaum ihr Leben davon. 
3. Als der Kellner wieder hinaus war, sprach die Stadtmaus: 
„Es hat nun keine Not, laß uns wieder guter Dinge sein!‘ Die 
Feldmaus antwortete aber: „Du hast gut redenl Du wubtest dein 
Loch schon zu treffen, während ich schier vor Angst gestorben 
bin. Ich will dir sagen, was meine Meinung ist: Bleibe du eine 
reiche Stadtmaus und friß Würste und Speck, ich will ein armes 
Feldmãäuslein bleiben und meine Eicheln essen. Du bist keinen 
Augenblick sicher vor dem Rellner, vor den RKatzen, vor den 
allen; ich aber bin daheim sicher und frei in meinem winzigen 
Peldlõchlein.“ Martin Luther. 
115. Der Reiehtum. 
1. Ein junger Hirte traf einst nach langen Jahren seinen Lehrer 
wieder, den er immer geliebt und geehrt hatte. Und er freute 
sich, doch sah er unmutig aus und klagte bald dem Lebrer, 
wie es ihm so übel ergehe; der und jener, der einst in der 
Schule neben ihm gesessen, sei jetzt reich an Geld und Gut, aber 
er selbst sei noch arm und dürftig in dem kleinen Hirtenhäuschen, 
das er von seinem Vater geerbt habe. 
2. Da sah ihn der alte Lehrer ernsthaft an vom Kopf bis 
zum Fub und sprach: „Bist du denn wirklich so arm? Du stehst 
ja in voller Gesundheit vor mirl Sieh, deine rechte Hand, so 
kräftig und geschickt zur Arbeit, würdest du sie wohl um tausend 
Taler dir abnebmen lassen? Und deine Augen, die so frisch in 
Gottes schöne Welt hineinschauen, um wieviel Geld würdest du 
sis wohl hingeben? Und dein Gehör, durch das der Gesang der 
Vögel, die Stimme deiner Freunde zu dir dringt, würdest du es 
wohl um die Schätze eines Königs vertauschen?“ Da schlug der 
Mensch die Augen nieder. „Das würde ich freilich nicht tun,“
	        
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