Blütezeit der deutschen Literatur. 107
hervor; er gab der deutschen Sprache wieder erhabenen
Schwung, weckte religiöse Begeisterung und Liebe zur deutschen
Vorzeit. Es kam Miel and und zeigte, daß man auch in
der deutschen Sprache mit Anmut und Witz schreiben könne.
Der geistesgewaltige L es sing wirkte wie ein Reformator
aus allen Gebieten der Poesie und bot in seiner Prosa das
Beispiel eines meisterhaften Stiles. Herd er, (ein Mann
von seltenem Umfang des Wissens und der Bildung^ gab
nach allen Seiten geistige Anregung und sammelte mit
feinem Sinne die „Stimmen der Völker in Liedern".
In Goethe und Schiller erreichte das goldene Zeit-
alter der deutschen Poesie seinen Höhepunkt. Man pflegt
beide Namen miteinander zu nennen; und sie gehören zu¬
sammen. Es steht in der Literaturgeschichte einzig da, daß
die beiden größten Dichter einer Nation auch engverbuudeue
Freunde im Leben waren, sich aus der Tiefe ihres Geistes
heraus anregend und beratend, und einer dem andern hilf-
reich, zum Gipfel des Ruhmes emporzusteigen.
Indem man von der goldenen Zeit der deutschen
Literatur spricht, darf man der Stadt Weimar nicht ver-
geffen. Wie in den Tagen des mittelalterlichen Helden-
und Minnegesanges die Höfe der Landgrafen von Thüringen
als Pflegestätten der Poesie glänzten: so that ihr im
vorigen Jahrhundert der Fürstenhof zu Weimar die Thore
auf. Dies war der verwitweten Herzogin Amalie und ihrem
Sohne, dem großherzigen KarlÄngust, zu danken. Von
ihrer Gunst berufen, fanden sich in Weimar die großen
Dichterheroen Wieland, Goethe, Herder, endlich auch Schiller
mit andern berühmten Männern zusammen. Weimar wurde
der örtliche Mittelpunkt unsrer klassischen Literaturperiode,
und mit Recht konnte man damals die Stadt das deutsche
Athen nennen.
Ergänzungen: Fr. Gottl. Klop stock, geb. 1724 zu Quedlinburg
(Messias, Oden, geistliche Lieder). Christoph Martin Wieland,
geb. 1733 zu Oberholzheim bei Biberach. Gotth. Ephr. Lessing,
geb. 1729 zu Kammz in Schlesien (Dramen, Fabeln). Joh.
Gottsr. Herder, geb. 1744 zn Mohrungen in Ostpreußen (der Cid;
der „gerettete Jüngling"). — Der Göttinger Dichter- oder
Hainbund: Gottsr. Aug. Bürger, der Balladendichter (Lenore;
das Lied vom braven Mann; Kaiser und Abt); Joh. Heinr. Voß
(ÜbersetzungHomers; der „70 Geburtstag"). Den Göttiugern schließen
sich an als Vertreter volkstümlicher und gemütvoller Dichtung: