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Mittlere Geschichte.
» Glocken. Form auch „Nürnberger Eier genannt". — Glocken zu gießen verstand
man in Italien schon um 400; aber erst in der Mitte des 6. Jahrhunderts
wurden Klöster und Kirchen in andern christlichen Ländern mit Glocken
versehen. Im 12. lebten in Nürnberg und Augsburg berühmte Glocken¬
gießer. — Karl d. Gr. ließ zuerst eine aus Konstantinopel erhaltene
Windorgel in der Kirche zu Aachen aufstellen nnd beim Gottesdienst ge¬
brauchen. Darauf machten sich die Deutschen auch an den Orgelbau.
Die ältesten Orgeln hatten nur 10 handbreite Tasten, die mit der geball¬
ten Faust niedergeschlagen werden mußten. Unsere jetzigen Orgeln stnd
ein Werk der Neuzeit. — Die Bildhauerkunst tauchte in Deutschland
Malerei, erst am Ende des Mittelalters auf. Maler hingegen gab es schon zu
Heinrichs I. Zeit. Die Kupfer st echkun st wurde von den Deutschen
im 15. Jahrhundert erfunden. Apotheken kamen von den Arabern
über Spanien nach Deutschland, wo im 13. Jahrhundert zu Augsburg die
erste Apotheke bestand. Doch handelten damals die Apotheker meist mit
Gewürzen und Zuckerwaaren. Aerzte in unserm Sinne kannte das Mittel¬
alter nicht, wohl aber ungelehrte Quacksalber. Die Arzneiwlssenschaft konnte
erst nach Errichtung von Schulen und Universitäten herangebildet werden.
66. Die Schule im Mittelalter.
Ausgabe der Klosterschulen. Aufnahme der sieben freien Künste. Einwirkung der
Scholastik. Errichtung von Universitäten und Lateinschulen (14. Jahrh.). Damali¬
ges Leben der Studenten. Die Lehrer und ihre Gesellen. Lehrmethode. Die fahren¬
den Schüler. Wiedererwachen der altklassischen Studien in Italien (15. Jahrh.). Ver¬
breitung derselben nach Deutschland (Reuchlin, Eraömus, Hutten). Werth deö Hu¬
manismus für die Reformation.
Bald nach Einführung deö Christenthums hatte man in Deutschland
Schulen errichtet, um junge Leute für daö geistliche Amt heranzubilden.
Diese Schule waren mit den Klöstern verbunden und wurden von Mönchen
verwaltet. Der Unterricht erstreckte sich, dem ausgesprochenen Zwecke ge¬
mäß, auf Bibelerklärung, Heiligengeschichten, kirchlichen Ceremonialdienst und
die Streitpunkte wider Heiden und Irrgläubige. Später wurde mehr ge¬
lehrt, indem man die sogenannten sieben freien Künste als: Gram-
Die7 freienm atik, Rhetorik, Dialektik, Arithmetik, Geometrie, Musik
Künste, und Astronomie der Schule zuwies. Die Zucht war streng; das Ler¬
nen jedoch mehr ein äußerliches, so daß für die Bildung des Herzens und
die Entwickelung deö innern Menschen wenig geschah. Dies hatte seinen
Grund darin, daß die Gelehrten der damaligen Zeit zu den „S ch o lasti-
Scholastikcr.kern" gehörten, welche mit Hülfe der von Aristoteles gegebenen Denkge¬
setze eine Menge Formeln und Schulausdrücke erfanden und allerhand spitz¬
findige Grübeleien und inhaltleere Erklärungen und Beweisführungen auf¬
stellten i). Nach den Kreuzzügen wurden einzelne Klosterschulen zu Uni¬
versitäten erweitert, welche von der ausschließlichen Vorbildung zu Geist-
i) So haben sich die Scholastiker viel mit der Frage beschäftigt: „Kann Gott
durch seine Allmacht elwaö Geschehenes ungeschehen machen?" u. dergl. mehr. Geg¬
ner der Scholastiker waren die späteren „Mystiker", welche, der trockenen Verstandes¬
richtung abhold, mehr das GemiithS- und Gefühlsleben betonten. Dahin gehören:
Jobannes Tanker (f 1361), Geiler von Kaiserberg (si 1510) und Thomas a.
Ke mp iS (st 1471), der Verfasser deö weit verbreiteten, in alle Sprachen übersetz¬
ten AndachtsbuchcS von der Nachfolge Christi.