Full text: Preußisch-deutsche Geschichte vom Jahrhundert Friedrichs des Großen bis zur Gegenwart (Teil 3)

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d) So unermeßlich die Schuldenlast war, die das Land drückte, so 
unerschwinglich waren infolge derselben die Steuern, die noch dazu von 
einem, dem sogenannten dritten Stande, nämlich dem der Bürger und 
Bauern, ausgebracht werden mußten. Dagegen waren die beiden höheren 
Stände, Adel und Geistlichkeit, in deren Händen der größte Grundbesitz, un¬ 
gefähr zwei Drittel vom vorhandenen Grund und Boden, sich befand, von 
den meisten Steuern und Abgaben befreit. Sie allein wurden zu den höheren 
Ämtern und Würden zugelassen, denn alle diese Stellen waren käuflich uud 
wurden nur dem zuteil, der recht viel dafür bezahlen konnte. Bürger und 
Bauern seufzten unter dem gewaltigen Steuerdruck; die notwendigsten Lebens¬ 
bedürfnisse wurden durch hohe Zölle verteuert, und Steuern und Zölle waren 
in den verschiedenen Provinzen nicht einmal von gleicher Höhe, denn sie wurden 
an einzelne Pächter verpachtet, die auch wieder große Summen dabei verdienen 
wollten. 
Die ungeheure Schuldenlast, der unerträgliche Steuerdruck, der erschütterte 
Glaube, die mit Füßen getretene Hingebung des einst so treuen Volkes, 
die nach dem Vorbilde des Hofes eingetretene Sittenverderbnis, die ganze, so 
sehr gepriesene Aufklärung — dies alles wirkte zusammen, eine blutige Revo¬ 
lution vorzubereiten. Ein tiefes Mißvergnügen grollte erst leise, dann lauter 
und lauter wie ferner Donner durch das Land. 
e) Als endlich 1774 Ludwig XV. sein lasterhaftes Leben schloß, trat sein 
Enkel Ludwig XVI., ein zwanzigjähriger Jüngling, die Regierung Frankreichs 
an. Es war eine trostlose Erbschaft. Er fühlte dies, denn als man ihm die 
Nachricht vom Tode seines Großvaters brachte, rief er aus: „O Gott, nun 
beginnt mein Unglück!" Wohlwollend gegen sein Volk und sittenrein, war er 
doch an Willen und Einsicht viel zu schwach, um in den Stürmen einer so 
schweren Zeit das Staatsschiff sicher zu leiten; denn jene Zeit brauchte nicht 
nur einen guten uud wohlwollenden König, sondern vor allem einen starken 
und weisen Regenten. Adel und Geistlichkeit verhehlten dem Könige sorgfältig 
die traurige Lage des Volkes, weil sie von den schlechten Einrichtungen Ge¬ 
winn zogen, und wollte der König ja sparen und hier und da etwas bessern, 
jo wurde er durch jene, die von ihren Vorrechten nichts aufgeben wollten, 
daran gehindert. Bei solchem Hochmut, solcher Ungerechtigkeit und Verachtung 
des Volkes durch Adel und Geistlichkeit rückte das Verderben immer näher. 
2. Ausbruch der Revolution, a) Die Nationalversammlung. 
Äls die Geldnot größer und größer geworden war, die Zinsen der alten 
Staatsschuld nicht mehr bezahlt werden konnten und niemand dem Staate 
neue Summen borgen wollte, berief der König im Jahre 1789 auf den Rat 
seines Finanzministers Necker, der nicht mehr ein und aus wußte, die 
Reichsstände, die Vertreter des Volkes, die über die geeigneten Mittel zur
	        
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