Full text: Preußisch-deutsche Geschichte vom Jahrhundert Friedrichs des Großen bis zur Gegenwart (Teil 3)

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an. Doch noch immer zögerte er. Von den Verbündeten endlich aufs ernsteste 
gedrängt, erklärte er, nicht vorgehen zu können, ohne daß ihm von der 
schlesischen Armee 30000 Mann zur Verfügung gestellt würden. Da gab 
Blücher ein Beispiel heldenmütiger Entsagung: er, der älteste und siegreichste 
General der verbündeten Armee, trat wirklich die verlangten 30000 Mann an 
die Nordarmee ab, verzichtete damit aus den Ruhm eines neuen Sieges und 
stellte sich freiwillig unter den Fremdling, der noch nichts für die Sache der 
Freiheit getan hatte, nur um diesem auch den letzten Vorwand des Zögerns 
zu nehmen und die allgemeine Sache zu fördern. Nun füllte der Kronprinz 
von Schweden (doch erst am 18. Oktober nachmittags) die große Lücke im Heere 
der Verbündeten östlich von Leipzig aus. 
Am 18. Oktober wurde der Kampf erneuert; es war dies der entscheidende, 
wichtigste Tag der Völkerschlacht. Napoleon hatte an diesem Tage noch 150000 
Streiter gegen einen Feind, der fast auf 300000 Mann angewachsen war. 
Auf drei Seiten von Feinden umgeben, blieb ihm nur die Rückzugsstraße nach 
Westen offen. Je näher die Verbündeten herangerückt waren, desto enger hatte 
er seine Streitkräfte zusammengezogen. Der Schlüssel, der Mittelpunkt seiner 
Stellung war das Dorf Probstheida, ungefähr 1 Stunde südöstlich von Leipzig 
an der Straße nach Grimma. Die Gärten desselben waren teilweise mit 
hohen Lehmmauern umgeben. Diese hatten die Franzosen mit großer Ge¬ 
schicklichkeit zur Befestigung ihrer Stellung verwendet, auch die Häuser des 
Ortes zur Verteidigung eingerichtet. Hier entbrannte der Hauptkampf des 
Tages. Vom frühen Morgen rollte ununterbrochen der Donner vou 1000 
Kanonen. Österreicher, Russen, Preußen rückten dann über das leichenbesäte 
Schlachtfeld von Wachau heran, ein grausiger Anmarsch. An Tapferkeit unter 
sich wie mit dem gleichfalls heldenmütig ringenden Feinde wetteifernd, stürmten 
sie sechsmal das feste Dorf, ohne es zu erobern. Hier leitete Napoleon selber 
die Schlacht; er stand bei einer von Kanonenkugeln durchlöcherten Windmühle 
und bei einem Wachtfeuer, das hier und da von einschlagenden Kugeln mit 
Erde überschüttet wurde. Bei dem sechsmaligen Sturm häuften sich in den 
Gärten und an den Mauern die Leichen zu Wällen auf. Brach die große 
Armee der Verbündeten hier durch, so war Napoleon verloren; aber eben des¬ 
halb kämpften auch hier seine Garden den letzten, verzweifelten Heldenkampf, 
bis sie sich endlich im Besitz des Dorfes behaupteten. Doch wurden alle Ver¬ 
suche seiner Truppen, aus demselben weiter vorzudringen, durch ein mörderi¬ 
sches Geschützfeuer der Verbündeten beharrlich zurückgewiesen. 
Hatten so die verbündeten Heere bei Probstheida unter den Augen des 
noch immer unüberwindlichen Napoleon keinen Sieg errungen, so waren sie 
auf anderen Seiten desto glücklicher. Von Osten her drangen seit Mittag die 
Russen siegreich gegen Leipzig vor. Etwas später kamen von N o r d o st e n her
	        
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