Full text: Badisches Realienbuch

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Als den Abschluß dieser Umgestaltung des Staates betrachtete Harden— 
berg die Schaffung einer Nationalvertretung. Auch Stein hatte in seinem 
„Testamente“ erklärt, daß er diesen Plan gehabt, von dessen „Ausführung oder 
Beseitigung“, wie er sagt, „Wohl und Wehe unseres Staates abhängt; denn 
auf diesem Wege allein kann der Nationalgeist positiv erweckt und belebt werden“. 
Der König hatte sich diese Gedanken zu eigen gemacht. Schon in dem 
Finanzedikte erklärte er, daß er sich vorbehalte, „der Nation eine zweckmäßig 
eingerichtete Repräsentation sowohl in den Provinzen als für das Ganze zu geben. 
So wird“, schließt er, „sich das Band der Liebe und des Vertrauens zwischen 
Uns und Unserm treuen Volke immer fester knüpfen“. Und mit Recht durfte er 
dies hoffen; war es doch eine ganz freiwillige Darbringung seiner Hochherzigkeit. 
Auf dem Wege der Verwaltung meinte Hardenberg zu einer Volksver— 
tretung schrittweis zu gelangen. Eine Versammlung von Notabeln!) — meist 
Adelige, jedoch auch einige Vertreter des Bürger- und Bauernstandes um— 
fassend — wurde nach Berlin berufen, um über die ganze Finanzlage des 
Staates, insbesondere auch über die Aufhebung der bisherigen Steuerfreiheit 
des Adels zu beraten. Am 23. Februar 1811 eröffnete der Staatskanzler 
im königlichen Schlosse die Versammlung; in einer klaren und eindringenden 
Rede forderte er sie auf, sich auf einen höheren Standpunkt zu stellen, indem 
jeder als Bürger des ganzen Staates sich betrachte, das einzelne Interesse 
dem des Ganzen unterzuordnen und hiernach die Meinung zu bestimmen. 
Indessen es gab unter den Entbotenen manche, die hierin mit nichten 
ihre Aufgabe sehen wollten Der Major von der Marwitz auf Friedersdorf 
überreichte dem Staatskanzler eine Denkschrift, in der die Erhaltung der 
bisherigen Grundeigentümer in ihren Besitzungen und Rechten gefordert wurde. 
Hardenberg nahm gar keine Notiz davon. Da richtete denn eine Anzahl von 
Grundbesißern, Graf Finckenstein auf Madlitz') und von der Marwitz voran, 
indem sie sich als die Stände des Lebusschen, Storkowschen und Beeskowschen?) 
Kreises unterzeichneten, unter dem 9. Mai 1811 eine Vorstellung an den 
König selber, ihr „altes ehrliches, brandenburgisches Preußen“ davor zu 
bewahren, „ein neumodischer Judenstaat“ zu werden. Aber der König, wie 
einst sein großer Ahn, griff energisch durch; allen Unterzeichnern ließ er sein 
ernstes Mißfallen ausdrücken; Graf Finckenstein jedoch und von der Marwitz 
in denen er mit Recht die Anstifter der Auflehnung sah, wurden verhaftet 
und auf die Festung Spandau abgeführt; Erst nach fünf Wochen ließ er sie 
„aus Gnaden“ wieder in Freiheit setzen. 
Der Eindruck, den diese Strenge machte, war groß; die Widersetzlichkeit 
gegen Hardenbergs weitschauende Gedanken versiegte, und am 28. Juni ent— 
ließ der Staatskanzler die Versammlung mit dem Ausdrucke der Anerkennung 
für ihre Tätigkeit. Noch einmal im September wurden die Notabeln zu einer 
kurzen Sitzung einberufen. 
Sofort aber reihte sich hieran ein zweiter bedeutender Schritt. Durch 
das „fernerweite Edikt über die Finanzen des Staates und das Abgabensystem“ 
vom 7. September 1811 wurde die Generalkommission errichtet, die neben 
den von der Regierung ernannten Mitgliedern achtzehn Vertreter der Ritter— 
) vom franz. notable, ansehnlich, angesehen. — 2) Gut bei Küstrin. — ) Gut 
und Dorf im Kreise Lebus im Regierungsbezirk Frankfurt a. d. Beeskomw⸗ 
Storkow: Kreis im Regierunasbezirk Potsdam
	        
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