Full text: Realienbuch für mehrklassige Schulen

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19. Die Folgen des dreißigjährigen Krieges. 
Das Glend des Krieges. Entsetzlicher Jammer kam durch den dreißig¬ 
jährigen Krieg über Deutschland. Die Offiziere suchten sich schnell zu bereichern 
und legten den Ortschaften ungeheure Abgaben auf; dazu wurden die Soldaien 
auf Kosten der Einwohner unterhalten, so daß schon hierdurch das Volk sehr ver¬ 
armte. Allein je länger der Krieg dauerte, um so weniger herrschte Zucht und 
Ordnung unter den Soldaten, toie nahmen den Bewohnern an Hausgerät, 
Vorräten und Vieh alles weg, um cs zu verbrauchen oder zu verkaufen. Wenn 
sie vermuteten, daß die Landbewohner Geld und Kostbarkeiten verborgen hatten, 
zwangen sie dieselben durch grausame Qualen zur Herausgabe. Nichts wurde ge¬ 
schont; Kirchen und Klöster wurden geplündert, Priester und Ordenspersonen unter 
grausamen Mißhandlungen verjagt oder getötet, die Bewohner ihrer Habe beraubt 
und wie wilde Tiere gehetzt. Dazu störte die andauernde Unsicherheit Handel 
und Gewerbe, auch das Feld konnte in der unruhigen Zeit nur dürftig bebaut 
werden, so daß in vielen Gegenden Deutschlands Hunger und Pest ausbrachen. 
Von der Hungersnot der Jahre 1636 bis 1637 wird erzählt, daß man das Fleisch 
gefallener Tiere verzehrte und sogar die Kirchhöfe nach Leichen umwühlte. 
Die Verluste Deutschlands an Menschen und Vermögen waren 
infolge der langen Dauer des Krieges und der barbarischen Kriegführung außer¬ 
ordentlich. Am Ende des Krieges war etwa noch ein Drittel der Bewohner übrig, 
die anderen hatte das Schwert der Feinde, Hunger und Krankheit weggerafft. 
Viele Dörfer standen ganz leer, viele, die während des Krieges verwüstet wurden, 
sind nie wieder aufgebaut worden. In den Städten stand oft nicht mehr der dritte 
Teil der Häuser, und dieser Rest war wüst und verfallen. — Während vorher 
Deutschland ein reiches Land genannt werden konnte, war es jetzt vollständig ver¬ 
armt. Der Bauer besaß kein Vieh und oft kein Ackergerät; daher spannte er sich 
selbst in den Pflug, um sein Leben kümmerlich zu fristen. Die alle Kunstfertigkeit 
in den Gewerben war dahin; während der langen Kricgsjahrc konnten die Hand¬ 
werker nur die eiufachsten Geräte liefern. Der Handel hatte andere Wege aus¬ 
gesucht; den Kaufleuten mangelte es an Geld und Mut, um größere Unterneh¬ 
mungen zu wagen. Fast 200 Jahre hat cs gedauert, bis Deutschland die Verluste 
des dreißigjährigen Krieges wieder eingebracht hatte. 
Zucht und Sitte waren in einem großen Teile des Volkes zerstört worden. 
Das zügellose Treiben der Soldaten war für viele ein gefährliches Beispiel ge¬ 
wesen, Üe langen Kriegsjahre hatten überall Roheit und Verwilderung erzeugt. 
Neben großem Elend herrschte Üppigkeit und Ausschweifung; besonders au den 
Fürstenhöfen wurde oft großer Aufwand getrieben, während das Volk durch hohe 
Steuern schwer gedrückt wurde. 
Nach außen war Deutschland schwach und ohnmächtig. Die deutschen 
Fürsten durften jetzt selbständig mit auswärtigen Herrschern Bündnisse schließen; 
sie kümmerten sich nicht um das Reich, sondern nur um ihren eigenen Vorteil. 
Das einstmals so mächtige deutsche Reich war jetzt so schwach, daß es sich nur 
mit Mühe des Andranges der Franzosen, Schweden und Türken erwehrte. 
20. Die Raubkriege Ludwigs XIY. 
Im 17. Jahrhundert war Frankreich der mächtigste Staat in Europa. Sein 
König, Ludwig XIV., verwendete seine Macht zur Bedrückung und Beraubung der 
schwächeren Nachbarstaaten. Holland und Deutschland wurden besonders von ihm 
angegriffen. Ohne jegliches Recht riß er Stücke von Deutschland an sich; mitten 
im Frieden überfiel er die wichtige Festung Straßburg und brachte sie an Frank¬ 
reich (1681). Die deutschen Fürsten aber standen teils aus Seite des Franzosen¬ 
königs, teils waren sie unter einander uneinig; ihre Gesandten verbrachten auf den 
Reichstagen ihre Zeit mit unnützen Streitigkeiten. 
Die Derrvüsturrg der Dfal; (1689). Ein Verwandter des Königs 
Ludwig XIV. hatte Elisabeth Charlotte, die Schwester des Kurfürsten von der 
Pfalz, zur Gemahlin. Als der Kurfürst starb, verlangte Ludwig gegen deutsches 
Recht eiuen Teil der Hausgüter. Der Kaiser weigerte sich dessen, und so kam es 
zum Kriege. Auf den Rat des französischen Kriegsministers beschloß Ludwig, die
	        
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