Full text: Realienbuch für mehrklassige Schulen

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ganze Pfalz niederzubrennen. Schreckliche Greuel wurden verübt. Die Städte 
wurden in Brand gesteckt, die Bewohner in der Winterkälte hinausgejagt und 
mußten durch Hunger und Frost zu Grunde gehen^ In Heidelberg wurde das 
kurfürstliche Schloß, das Zeughaus und ein Teil der Stadtmauern in die Luft ge¬ 
sprengt, dann die Stadt eingeäschert. Ein gleiches Schicksal erlitten Mannheim, 
Speyer und Worms. So wurde das ganze Land in eine Wüste verwandelt. 
Die Türken vor Wien (1683). Durch die. Schwäche des deutschen 
Reiches wurden auch die Türken zu einem Einfalle in Österreich angereizt. Mit 
300 000 Mann drang der Großvezier Kara Mustapha in Ungarn ein und rückte 
bis Wien vor, um die Stadt den Türken zu unterwerfen. Der Herzog von Loth¬ 
ringen, Oberbefehlshaber des kaiserlichen Heeres, konnte ihm nur 33 000 Mann 
entgegenstellen. Am 14. Juli kamen die Türken vor Wien an; ihre Übermacht 
war ungeheuer. Aber die Einwohnerschaft und die Besatzung von Wien verteidigte 
sich mit heldenmütiger Tapferkeit. Tag und Nacht wurden die Wälle bewacht, die 
Angriffe der Türken zurückgeschlagen. Die Türken legten unterirdische Gänge an, 
so daß die Mauern einfielen, oder sprengten diese durch Minen in die Luft; die 
Christen aber besserten in der Nacht die Wälle aus und errichteten neue Mauern 
und Festungswerke. Doch Hunger, Krankheit und Angriffe der Feinde minderten 
von Tag^zu Tag ihre Zahl; langsam, aber unaufhaltsam rückten die Türken vor. 
Am 5. September flog ein Stück der 7 m dicken Mauern in die Luft, so daß jetzt 
eine Bresche vorhanden war, durch welche die Türken eindringen konnten. Eine 
längere Verteidigung schien unmöglich. Plötzlich verkündete eine Feuergarbe von 
Raketen das Herannaben eines christlichen Heeres. Der Herzog von Lothringen und 
Johann Sobiesky, König von Polen, hatten ihre Truppen vereinigt und kamen 
zum Entsätze herbei. Am 12. September 1683 kam es zur Schlacht, in welcher 
entschieden werden sollte, ob Wien eine christliche Stadt, Österreich und Deutsch¬ 
land christliche Staaten bleiben oder unter türkische Herrschaft kommen sollten. 
Die Tapferkeit der Christen errang den Sieg. Über 10 000 erschlagene Türken be¬ 
deckten das Feld; alle ihre Geschütze und über 20 Millionen Mark an Beute fielen 
den Siegern in die Hände. Der schönste Siegespreis waren aber viele tausend 
Christen, die aus elender Sklaverei oder vom Tode befreit wurden. Seit jener 
Zeit war die Hauptmacht der Türken gebrochen. 
21. Die französische Revolution. 
1. Die Ursachen der französischen Revolution. König Ludwig XIV. 
hatte durch seine Kriege großen Ruhm erworben, aber auch durch dieselben, sowie 
durch seine großen Bauten das Volk schwer bedrückt. Sein Nachfolger führte ein 
ausschweifendes, unsittliches Leben; die höheren Stände folgten dem Beispiele des 
Königs. . Mit der Sittenlosigkeit verbreitete sich der Unglaube, der durch schlechte 
Bücher in allen Kreisen des Volkes Eingang fand. So schwand die Achtung 
vor dem Königtum und der Kirche bei allen Volksklassen. — Durch die Verschwen¬ 
dung des königlichen Hofes war das Land so sehr in Schulden geraten, daß zuletzt 
die Einnahmen des Staates nur zur Bezahlung der Zinsen hinreichten. Daher 
berief der gutmütige, aber schwache König Ludwig XVI. eine Versammlung von 
Abgeordneten des Adels, der Geistlichkeit und des Bürgerstandes nach Paris, um 
über Abhilfe zu beraten. Der Adel und die Geistlichkeit wollten jedoch ihre Vor¬ 
rechte, besonders die Freiheit von Steuern und Abgaben, nicht aufgeben. 
2. Die Revolution. Die Abgeordneten des dritten Standes erklärten sich 
nun als die alleinigen Vertreter des ganzen Volkes und nannten sich National¬ 
versammlung. Sie arbeiteten eine Verfassung aus, in welcher der Adel abgeschafft, 
die Kirchengüter eingezogen und der König eines großen Teiles seiner Macht be¬ 
raubt wurde. Der König wurde roh behandelt, seine Leibgarde niedergemetzelt. Als 
er sich durch die Flucht retten wollte, wurde er angehalten, zurückgebracht und wie 
ein Gefangener behandelt. Österreich und Preußen ließen jetzt ihre Heere in Frankreich 
einrücken. Dies hatte aber zur Folge, daß erst viele tausend gefangene Anhänger 
des Königs in den Gefängnissen ermordet, er selbst (am 21. Januar 1793) hingerichtet 
wurde. Auch seine Gemahlin Maria Antoinette, eine Tochter der Kaiserin Maria 
Theresia, mußte ihr Leben auf dem Schaffst endigen. Eine furchtbare Schreckens¬ 
herrschaft begann. Massenweise wurden alle „Verdächtigen", welche dem Staate 
«nd der Religion anhingen, hingeschlachtet.
	        
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