Full text: Diesterwegs Realienbuch

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Wie stolz der Graf vor seinem Schiffe stand, wie die Rügen des jugendlichen 
Greises leuchteten, als dieses neue Schiff die weite Fahrt ins Ungewisse antrat! 
wie wir ihm zujubelten in hoher Verehrung mit dem festen Bewußtsein, daß 
sein Schiff uns sicher nach unserm Ziele bringen würde durch wind und Wetter! 
„Glück ab!" Oie Mützen wurden geschwenkt, die Tücher flatterten im winde, 
die Motoren setzten ein, und die Propeller surrten. Va ging es los, da hob sich dieser 
Riesenkörper langsam, dann bewegte er sich vorwärts. „Gute Fahrt! Glück ab!" 
Ver Regen hat gerade aufgehört, die Gelegenheit wird schnell benutzt,- 
so steigen wir höher und höher, wir wenden dann links nach dem Bodensee. 
wohin wollen wir? Nun wird es uns klar: die Schleife über der Halle, es ist der 
letzte Gruß für den Grafen Zeppelin! Tr stand und winkte, während die Schein¬ 
werfer spielten. Hlle Kchtung! Trotz der Wetterlage die Schleife, der Gruß! 
Man geht nicht ohne Gruß von diesem Manne! 
Ls war drei Minuten vor Mitternacht. Zwei Rapitäne steuern gleichzeitig,- 
einer führt das höhensteuer, der andere die Richtung, während ein Dritter auf 
der Rarte den weg bezeichnet, der gefahren werden muß. Über den Motor 
gebeugt sitzt ein Monteur, der dauernd den Gang beobachtet und von Zeit zu 
Zeit von seiner anstrengenden Tätigkeit abgelöst wird, wir nehmen unsern weg 
an der Bahn entlang nach Ulm. Rach kurzer Zeit wird Ravensburg überflogen. 
Dann geht es weiter über die dunklen Waldungen des Schwäbischen Jura. 
Starker wind kommt uns entgegen. Oie Regentropfen prasseln auf den Boden 
der Radine nieder,- die Wolken jagen in zerrissenen Setzen um uns her von Nord¬ 
west. wie die wilde Zagd scheint es vorwärts zu gehen, aber es ist Täuschung. 
Oie Motoren arbeiten schwer, das Schiff kämpft mit starkem winde. Erfolg¬ 
reich, langsam klimmen wir höher und vorwärts! wenn auch das Schiff im 
winde zittert, wir fühlen den festen Boden unter uns, und still, überwältigt 
von grausiger Schönheit bei völliger Nacht, lehnt man am Zensier und hascht 
nach den Wolken. Zst es möglich, daß wir in diesem Wetter den weg finden? 
Ts wird Heller, die Wolken verziehen sich,- wir haben sie im Sturm genommen. 
Jetzt geht es östlich an der Burg hohenzollern (680 m) vorbei über die Rauhe 
Klb. Vas Barometer zeigt 900 m. Oer wind flaut nicht ab, aber es dämmert, 
und wir sehen unter uns Wälder und Berge, so weit das Rüge reicht. Zn der 
Kerne Sichter,- wir fragen: es ist Kalen. Dann geht es an der Zrankenhöhe vorbei 
nach Crailsheim an der Zagst (um 325). Nun an den Rrümmungen der Zagst 
entlang. Oie Sonne ist hinter den Wolken aufgegangen- wir sehen aus 800 m 
höhe auf Wälder, Täler und höhen mit Burgen, von Minute zu Minute wechselt 
das Panorama. 
wir nähern uns jetzt Würzburg. Dann geht es weiter über die Kusläufer 
des Spessart. Riesige Waldungen weit und breit,- so weit man sieht, kein Haus, 
kein Hof. wir erreichen die östlich liegende Rhön. Um 615 Uhr sind wir in 
Zulda. Man jubelt uns zu, doch weiter, wir haben Eile! Oer wind hat uns 
genug aufgehalten. 730 Uhr passieren wir Bebra, eine wunderbare Kussicht 
auf Berge und Täler, Burgen und Schlösser rechts und links. Das wild flieht 
vor uns. Ein Zug versucht mit uns um die wette zu fahren,- wir lassen ihn hinter 
uns. Zetzt bessert sich das Wetter. Es geht zur Weser, ein herrliches Panorama! 
Oie Dampfer grüßen- Larlshafen wird passiert. Dann nähern wir uns dem 
Teutoburger Wald,- in der Ferne das Hermannsdenkmal. l03° sind wir in 
Bielefeld. Oie Menschenmengen sind zahllos, die uns stürmisch entgegenwinken 
und rufen: „Es lebe Graf Zeppelin !" Nach einigen Schleifenfahrten geht's über 
sie hinweg und über die Türme auf Herford zu. wir fahren mit Windeseile, 
von wind und Motoren getrieben. Zn vier Minuten haben wir die l3 km
	        
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