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Gaudy.
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2. „Ha! Diese Schöne sah ich wehn im Feuer,
Das Haupt geschmückt mit rotblauweißem
Band;
Im Pulverdampfe flatterte ihr Schleier,
Ich las auf ihm: , Für Ruhm und Vaterlands
Des Herzens Wahl, du darfst sie frei be¬
kunden,
Denn edler wohl traf sie ein Krieger nie.
Der Treue Jahre, sprich, wie zählst du sie,
Seit du der Heißgeliebten dich verbunden ?" —
„Nach Wunden!"
3. „Noch schaukelt sich dein Arm in seidneu
Binden,
Seit ihn die Kugel traf auf Leipzigs Flur.
Verharrschte Wunden auf der Wange künden:
Stets sah der Feind das Weiß des Auges nur.
Wohl nur der Gegner Tapferste bewarben
Sich um den Ruhm, des Namenszuges Mal
Zu graben blutig auf die Stirn mit Stahl.
Wie lohntest du den Zeichnern diese Nar¬
ben?" —
„Sie starben!" —
1835.
4. „Ein morscher Arm, ein Antlitz hiebzer-
spalten,
Die krause Locke zeitig schon erbleicht,
Ein matter Blick, der Stirne tiefe Falten, —
Mehr hat dein Kriegerleben nicht erreicht.
Du hast gekämpft im Süden wie im Norden,
Und blutig kehrend aus dem Kampfgewühl,
Ward nur der kalte Stein des Hauptes
Pfühl.
Ist dir ein andrer Lohn dafür geworden?" —
„Mein Orden!" —
5. „Es ehrt den Feinds des Feindes Mut
zu ehren:
Empfang den Preis aus deines Gegners Hand.
Zu der geliebten Fahne magst du kehren,
Nimm hier den Degen, deiner Freiheit Pfand.
Und wenn in Blut getaucht die Lorbeerreiser,
Wenn sich die Brust zum letzten Male hebt
Und bleich die Lippe todesschauernd bebt,
Wen ruft dein letzter Seufzer leis und
leiser?" —
„Den Kaiser!" —
Werke. IV, S. 50 f.
101. Der Grenadier der allen Garde.
1. Unfern des Gitterfensters steht an Bicêtres Wand
Ein Veteran, gezieret mit rotem Ehrenband,
Starrt auf die dumpfge Mauer, das Herz ist ihm so schwer,
Und wiegt das Haupt wie schmerzlich verneinend hin und her.
2. Ergraunde krause Locke die hohe Stirn umspielt,
Wo tiefe Narbe kündet, wie scharf der Feind gezielt;
Wo tiefe Narbe deutet, wie einst dem Schlachtentod
Er keck ins Auge schaute, keck ihm die Stirne bot.
3. Auf Mont-Saint-Jeans Gefilden die Schar der Helden spricht:
„Es stirbt die alte Garde, doch sie ergiebt sich nicht!"
Er rief's, da traf die Kugel der Bärenmütze Rand;
Mit Blut das Wort besiegelnd, sank hin er in den Sand.
4. Aus glühnden Fieberträumen nach Mondenfrist erwacht
Der Greis in düsterm Kerker, in düstrer Seelennacht.
Verworrne Schatten treiben am Geist vorüber wild, —
Klar aus des Irrsinns Wolken taucht nur des Kaisers Bild.
5. Jetzt faßt er eine Kohle mit hiebgelähmter Hand
Und zieht vom Hut des Kaisers den Umriß an die Wand,