fullscreen: Gedichtsammlung aus den letzten 150 Jahren deutscher Dichtung (Teil 3, [Schülerband])

I 
Gaudy. 
85 
2. „Ha! Diese Schöne sah ich wehn im Feuer, 
Das Haupt geschmückt mit rotblauweißem 
Band; 
Im Pulverdampfe flatterte ihr Schleier, 
Ich las auf ihm: , Für Ruhm und Vaterlands 
Des Herzens Wahl, du darfst sie frei be¬ 
kunden, 
Denn edler wohl traf sie ein Krieger nie. 
Der Treue Jahre, sprich, wie zählst du sie, 
Seit du der Heißgeliebten dich verbunden ?" — 
„Nach Wunden!" 
3. „Noch schaukelt sich dein Arm in seidneu 
Binden, 
Seit ihn die Kugel traf auf Leipzigs Flur. 
Verharrschte Wunden auf der Wange künden: 
Stets sah der Feind das Weiß des Auges nur. 
Wohl nur der Gegner Tapferste bewarben 
Sich um den Ruhm, des Namenszuges Mal 
Zu graben blutig auf die Stirn mit Stahl. 
Wie lohntest du den Zeichnern diese Nar¬ 
ben?" — 
„Sie starben!" — 
1835. 
4. „Ein morscher Arm, ein Antlitz hiebzer- 
spalten, 
Die krause Locke zeitig schon erbleicht, 
Ein matter Blick, der Stirne tiefe Falten, — 
Mehr hat dein Kriegerleben nicht erreicht. 
Du hast gekämpft im Süden wie im Norden, 
Und blutig kehrend aus dem Kampfgewühl, 
Ward nur der kalte Stein des Hauptes 
Pfühl. 
Ist dir ein andrer Lohn dafür geworden?" — 
„Mein Orden!" — 
5. „Es ehrt den Feinds des Feindes Mut 
zu ehren: 
Empfang den Preis aus deines Gegners Hand. 
Zu der geliebten Fahne magst du kehren, 
Nimm hier den Degen, deiner Freiheit Pfand. 
Und wenn in Blut getaucht die Lorbeerreiser, 
Wenn sich die Brust zum letzten Male hebt 
Und bleich die Lippe todesschauernd bebt, 
Wen ruft dein letzter Seufzer leis und 
leiser?" — 
„Den Kaiser!" — 
Werke. IV, S. 50 f. 
101. Der Grenadier der allen Garde. 
1. Unfern des Gitterfensters steht an Bicêtres Wand 
Ein Veteran, gezieret mit rotem Ehrenband, 
Starrt auf die dumpfge Mauer, das Herz ist ihm so schwer, 
Und wiegt das Haupt wie schmerzlich verneinend hin und her. 
2. Ergraunde krause Locke die hohe Stirn umspielt, 
Wo tiefe Narbe kündet, wie scharf der Feind gezielt; 
Wo tiefe Narbe deutet, wie einst dem Schlachtentod 
Er keck ins Auge schaute, keck ihm die Stirne bot. 
3. Auf Mont-Saint-Jeans Gefilden die Schar der Helden spricht: 
„Es stirbt die alte Garde, doch sie ergiebt sich nicht!" 
Er rief's, da traf die Kugel der Bärenmütze Rand; 
Mit Blut das Wort besiegelnd, sank hin er in den Sand. 
4. Aus glühnden Fieberträumen nach Mondenfrist erwacht 
Der Greis in düsterm Kerker, in düstrer Seelennacht. 
Verworrne Schatten treiben am Geist vorüber wild, — 
Klar aus des Irrsinns Wolken taucht nur des Kaisers Bild. 
5. Jetzt faßt er eine Kohle mit hiebgelähmter Hand 
Und zieht vom Hut des Kaisers den Umriß an die Wand,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.