Full text: Deutsches Lesebuch für die lateinische Schule und die beiden unteren Kurse des Realgymnasiums

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vom Schnee des Alters, nicht vom Grün der Jugend verdeckt,“ und 
er brachte aus dem ganzen reichen Leben nichts als Irrtümer, 
Sünden und Krankheiten, einen verheerten Körper und eine verödete? 
Seele, die Brust voll Gift? und ein Alter voll Reue Seine schönsten 
Jugendtage· wandten sich heute als Gespenster um und zogen ihn 
wieder vor den holden Morgen hin, wo ihn sein Vater zuerst auf 
den Scheideweg des Lebens gestellt hatte, der rechts auf der Sonnen— 
bahn der Tugend in ein weites, ruhiges Land voll Licht und Ernten 
und voll Engel bringt und links in die Maulwurfsgänge des Lasters 
herabzieht, in eine schwarze Höhle voll heruntertropfenden Giftes, 
voll zielenders Schlangen und finsterer, schwüler Dämpfe. Ach, die 
Schlangen hingen um seine Brust und die Gifttropfen auf seiner 
Zunge! Er wußte nun, wo er war. — 
Sinnlos und mit unaussprechlichem Grame rief er zum Himmel 
hinauf: „Gib mir die Jugend wieder! O Vater, stelle mich wieder 
auf den Scheideweg, damit ich anders wähle!“ Aber sein Vater 
und seine Jugend waren längst dahin. Er, sah Irrlichter auf 
Sümpfen tanzens und auf dem Gottesacker erlöschen, und er sagte: 
„Es sind meine thörichten Tage“ Er sah einen Stern aus dem 
Himmel fliehen und im Fallen schimmern und auf der Erde zer— 
rinnen? „Das bin ich!“ sagte sein blutendes Herz, und die Schlangen— 
zähne der Reue gruben darin in den Wunden weiter. Die lodernde 
Phantasies zeigte ihm fliehende Nachtwandler auf den Dächern, und 
die Windmühle hob drohend ihre Arme zum Zerschlagen auf,“ und 
eine im leeren Totenhause zurückgebliebene Larve 10 nahm allmählig 
seine Züge an. Mitten in dem Kampfe floß plötzlich die Musik 
für das Neujahr vom Turme hernieder wie ferner Kirchengesang. 
Er wurde sanfter bewegt. Er schaute um den Horizont herum und 
über die Erde und dachte an seine Jugendfreunde, die nun, glück— 
licher und besser als er, Lehrer der Erde, Väter glücklicher Kinder 
und gesegneter Menschen waren, und er sagte: „O, ich könnte auch 
wie ihr diese erste Nacht mit trockenen Augen verschlummern, wenn 
ich gewollt hätte! Ach, ich könnte glücklich sein, ihr teuren Eltern, 
wenn ich eure Neujahrswünsche und Lehren erfüllt hätte!“ In 
fieberhafter Erinnerung an seine Jünglingszeit kam es ihm vor, 
als regte sich die Larve mit seinen Zügen im Totenhause auf; end— 
mNicht die Erinnerung an eine frische, glückliche Jugendzeit 
schmückt dieses Grab, d. i. den Lebensausgang dieses Menschen. 
Was ist aus dieser Seele gewichen, so daß sie nunmehr verödet ist? »In— 
n gegen Gott, sich und den Nächsten hat seine v vergiftet Per⸗— 
hnistcierts Inwiefern? ⸗Gr. d 121. Sein n, ein Geschenk des 
Himmels, floh diesen, d. i. entfremdete sich durch den Sturz in den 
irdischen Sinnentaumel seiner ewigen Heimat und ging zu Grunde. 5 Statt 
lebenbige Einbildungskraft; wie ist lodernde zu erklären? In allem 
sieht der Unglückliche strafende und rächende Wesen. 10 Vgl. p. 179 Die 
dien einer Musik werden nicht selten mit dahinwogenden Gewässern ver— 
glichen.
	        
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