Full text: Nicolaisches Realienbuch

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Wildling, so verpflanzte er ihn ungebeten auf einen paffenden Gemeinde¬ 
platz, und nach Verlauf von fünfzehn bis achtzehn Jahren zog die Gemeinde- 
kaffe einen beträchtlichen Vorteil davon. 
Lohann Ferdinand Lchiex. (Der Denkfreund.) 
47. Die Geschichte von der Wunderlampe. 
1. Beim Kaufmann in St. Kathrein ging’s uns gut. Er war kein 
großer Kaufmann, aber Kerzen hatte er doch zur Auswahl. Bei 
den Bauern oben in den steirischen Bergen aber wurden wir für die 
langen AVinterabende zumeist mit Spanlicht bedient. Das war ein 
ehrliches, gesundes Licht, das sich gegen ein Kerzenlichtlein aus¬ 
nahm wie eine rotwangige Bauerndirne gegen einen blassen, schwind¬ 
süchtigen Studenten. AVenn wir aber bei solchen Unschlittschwänz¬ 
lein, wovon zwölf auf ein Pfund gingen, den ganzen, langen Abend 
nadeln sollten, da klagte mein guter Meister manchmal; aber die 
Hausfrau antwortete: „Mein Model (Gießform) ist nicht größer“, 
denn sie goß die Kerzen selber. „Den Docht nimm größer“, riet 
der Meister; aber da ging ihr zuviel Unschlitt drauf, weil es sich 
schneller verzehrte. Beim Kaufmann jedoch brannten wir Achter 
oder Sechser, das heißt solche Kerzen, wovon acht oder sechs ein 
Pfund ausmachten. Die gaben freilich einen fürnehmen Schein, 
wenn sie ordentlich „geschneuzt“ wurden; trotzdem besorgten wir alle 
feineren Arbeiten beim lieben Tagesscheine. 
2. Einmal nun im Advent, als wir beim Kaufmann arbeiteten, 
kehrte dieser spät abends aus der Stadt heim und sah uns um das 
matte Kerzenlicht kauern und lugen. Er klopfte den Schnee von 
den Schuhen, blinzelte uns an und sagte: „Na, Schneider, heut’ hab’ 
ich was heimgebracht für euch!“ Und als die neuen AVaren ausge¬ 
packt wurden, da kam eine stattliche Öllampe zum Vorschein und 
ein langes Bohr aus Glas dazu und ein grüner Papierschirm und 
ein Zwilchstreifen und ein feuchtes Fäßlein. „AVas du alles für 
Sachen hast!“ sagte der Meister. „Das alles miteinander“, berichtete 
der Kaufmann, „gehört zum neuen Lichte, das aus Amerika ge¬ 
kommen ist; es brennt so hell wie der Tag, wirst es schon sehen.“ 
Er begann, die Lampe aus dem Fäßlein zu füllen und den Zwilch¬ 
streifen durch das wie eitel Gold glänzende Ding mit der eichel¬ 
förmigen, geschlitzten Kapsel zu ziehen. Dann setzte er die Bestand¬ 
teile zusammen, zündete das hervorstehende Ende des Dochtstreifens 
an, stülpte das bauchige Glasrohr auf, daß wir meinten, so eng ums
	        
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