286. Die Kurden. 
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Eine geographische Meile nordöstlich von Schiras am Eingänge 
eines Gebirges liegt ein einsam stehendes Viereck, außen kahl, innen 
mit einigen niedrigen Gesträuchen bepflanzt. Hier ruhen die Ueberreste 
der zweiten Glorie von Schiras, des weisen Scheikh S a a d i, dessen 
Lehrsprüche in dem Munde aller persischen Weisen sind und die Stelle 
moralischer Vorschriften vertreten. Neben der Mauer fuhren dreißig 
Stufen zum Rande eines Baches hinab. Hier war der Licblingsplatz 
des Dichters, und die armen Bewohner dieser Gegend halten den Platz 
so in Ehren, daß sie die Fische dieses Wasserbeckens nicht beunruhigen. 
An Saadi schätzt man die Tiefe der Gedanken, und seine Sprache ist 
frei von den poetischen Ueberladnngen der persischen Dichter. 
28(). Die Kurden. 
(Nach Moritz Wagner, Reise nach Persien und dem Lande der Kurden.) 
Die Kurden, aller Wahrscheinlichkeit nach ein Mischlingsvolk gleich 
den Kabylen des Atlasgebirges, bei welchen sich eben so wenig vorherr¬ 
schende Racenmerkmale angeben lassen, sind über einen großen Theil 
West-Asiens verbreitet. Sie sind in zwei Stände oder Kasten geschie¬ 
den: in den Kriegerstand, welcher nur Heerden besitzt und gewöhnlich 
auch Räuberei treibt, und in den Bauernstand, Guran genannt, welcher 
im südlichen Kurdistan vier- oder fünfmal zahlreicher als ersterer sein 
soll. Die Guran unterscheiden sich durch ihre Physiognomie wie durch 
ihren Dialekt von der Kriegerkaste. Ihre Gesichtsbildung ist sanfter, 
weit regelmäßiger und erscheint öfter ganz griechisch. Die ächten Kur¬ 
den .der Kriegerkaste sind ein stämmiges, robustes, gesundes Volk. 
Raub und Diebstahl gelten bekanntlich bei allen wilden Völkern 
nicht als entehrende Verbrechen, sondern sind nach ihren Begriffen des 
Mannes, des Tapfern vollkommen würdig. Aber so tief in Charakter, 
Lebensweise und Gewohnheiten eingedrungen, wie bei den Kurden, ist 
die Raublust bei keinem der barbarischen Völker, welche ich während 
fünfjähriger Reisen in Afrika und Asien zu beobachten Gelegenheit hatte, 
nicht bei den Tataren und Tscherkesscn am Kuban, nicht einmal bei den 
Beduinen und Kabylen der Berberei. Nach den Ansichten der Kurden 
gehört gewaltsamer Raub zu den ächten Heldenthaten, und jeder be¬ 
rühmte Häuptling, den ihre Lieder feiern, hat nicht nur gegen die 
türkischen Paschas und gegen die ungläubigen Russen gekämpft, sondern 
auch Karawanen geplündert und die Dörfer der ketzerischen (schiitischen) 
Adischani überfallen. Indessen gilt im Orient die Ansicht, daß der 
Kurde bei seinen räuberischen Unternehmungen sich doch honnetter und 
menschlicher benehme, als der Tatar, Turkomane oder der Beduine. 
Wenn nicht die Pflicht der Blutrache es gebietet, mordet er nie l en 
Beraubten, enthält sich sogar jeder Mißhandlung, wenn jener sich nicht 
zur Wehre setzt. In der Provinz Erivan ist es öfter vorgekommen,
	        
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