Kriege waren die Landesherren dem Kaiser gegenüber fast völlig unabhängig
(souverän) geworden; aber den Ständen ihres Landes (Adel, Geistlichkeit und
Städte) gegenüber waren sie vielfach, besonders in bezug auf die Steuer-
bewilligung recht abhängig. Der Große Kurfürst erkannte das Nachteilige
dieser Beschränkungen und strebte danach, sich von den Ständen unabhängig
(absolut) zu machen. Deshalb hob er die meisten Vorrechte der Stände, vor
allem das Recht der Stenerbewilligung ans, da dem Landesherrn oft die
nötigsten Mittel verweigert wurden. Hierbei stieß er nicht selten ans heftigen
Widerstand, besonders im Herzogtum Preußen, wo er nur mit Strenge seine
Absicht durchführen konnte. (Schöppenmeister Rode und Oberst von Kalck-
stein.) Alsdann führte der Kurfürst eine gerechtere Verteilung der Stenern
durch, indem er ans dem Lande die Grundsteuer (direkte Steuer) und in den
Städten die Verbrauchssteuer aus verschiedene Lebensmittel (Akzise, indirekte
Steuer) festsetzte und die Steuerfreiheit einzelner Stände aufhob. — Auch in
der Verwaltung beseitigte der Kurfürst verschiedene Sonderrechte und führte
die absolute Regierung des Landesherrn durch. Die Verwaltung der einzelnen
weit zerstreuten Landcsteile war sehr verschiedenartig, ebenso der Anteil der
Stände an der Verwaltung. Bisweilen weigerten sich die Stände des einen
Landesteils, Beamte ans dem andern zu übernehmen oder zu den gemcin-
samen'Lasten beizusteuern. Deshalb strebte der Kurfürst dahin, Einheit in die
gesamte Verwaltung des Staates zu bringen, indem er die oberste Ver¬
waltungsbehörde für das ganze Land, den Geheimen Staatsrat, neu ordnete.
Dieser hatte dem Kurfürsten Vorschläge zu unterbreiten. Über dem Geheimen
Staatsrat stand das Geheime Kabinett mit dem Kurfürsten an der Spitze, so
daß nur mit dessen Zustimmung alle wichtigen Anordnungen im Lande ge¬
troffen wurden. Für jeden größeren Bezirk wurde ein Obcrkommissar oder
Kriegsrat angestellt, der die Ausführung der Anordnungen zu überwachen
hatte. Die Bezirke waren wiederum in Kreise geteilt, die einem Kreis¬
kommissar (später Landrat) zur Verwaltung unterstellt waren. Dieser wurde
-nicht mehr von den Ständen, sondern vom Kurfürsten ernannt und hatte ihm
den Treueid zu leisten. So führte der Kurfürst in der Staatsverwaltung die
absolute Regierung durch.
8. Die Sorge um die Wohlfahrt des Landes. In den Jahren des
Friedens erwies sich der Große Kurfürst als ein rechter Landesvater. Seine
erste Sorge galt der Landwirtschaft. In die verödeten Dörfer berief er
Ansiedler ans Holland und der Schweiz. Er überwies ihnen Land und Holz
zum Hausbau unentgeltlich, schenkte ihnen Saatkorn und Zugvieh und be¬
freite sic auf 6 Jahre von allen Abgaben. Als wichtige Nahrnngspflanze
führte er die Kartoffel und als neue Nutzpflanze den Tabak ein. Durch
Gärtner ans Holland wurde der Gartenbau im Lande gefördert. Um die
verödeten Gegenden wieder freundlich und ertragreich zu gestalten, erließ er
die Bestimmung, daß jeder Bauernsohn vor seiner Verheiratung sechs Obst-
bäume und sechs Eichen gepflanzt haben mußte. — Zugleich wandte der Kur¬
fürst dem Gewerbe und Handel seine Aufmerksamkeit zu. Die verwüsteten
Städte wurden allmählich wieder aufgebaut und Ansiedler herbeigezogen.