Full text: Nicolaisches Realienbuch

Kriege waren die Landesherren dem Kaiser gegenüber fast völlig unabhängig 
(souverän) geworden; aber den Ständen ihres Landes (Adel, Geistlichkeit und 
Städte) gegenüber waren sie vielfach, besonders in bezug auf die Steuer- 
bewilligung recht abhängig. Der Große Kurfürst erkannte das Nachteilige 
dieser Beschränkungen und strebte danach, sich von den Ständen unabhängig 
(absolut) zu machen. Deshalb hob er die meisten Vorrechte der Stände, vor 
allem das Recht der Stenerbewilligung ans, da dem Landesherrn oft die 
nötigsten Mittel verweigert wurden. Hierbei stieß er nicht selten ans heftigen 
Widerstand, besonders im Herzogtum Preußen, wo er nur mit Strenge seine 
Absicht durchführen konnte. (Schöppenmeister Rode und Oberst von Kalck- 
stein.) Alsdann führte der Kurfürst eine gerechtere Verteilung der Stenern 
durch, indem er ans dem Lande die Grundsteuer (direkte Steuer) und in den 
Städten die Verbrauchssteuer aus verschiedene Lebensmittel (Akzise, indirekte 
Steuer) festsetzte und die Steuerfreiheit einzelner Stände aufhob. — Auch in 
der Verwaltung beseitigte der Kurfürst verschiedene Sonderrechte und führte 
die absolute Regierung des Landesherrn durch. Die Verwaltung der einzelnen 
weit zerstreuten Landcsteile war sehr verschiedenartig, ebenso der Anteil der 
Stände an der Verwaltung. Bisweilen weigerten sich die Stände des einen 
Landesteils, Beamte ans dem andern zu übernehmen oder zu den gemcin- 
samen'Lasten beizusteuern. Deshalb strebte der Kurfürst dahin, Einheit in die 
gesamte Verwaltung des Staates zu bringen, indem er die oberste Ver¬ 
waltungsbehörde für das ganze Land, den Geheimen Staatsrat, neu ordnete. 
Dieser hatte dem Kurfürsten Vorschläge zu unterbreiten. Über dem Geheimen 
Staatsrat stand das Geheime Kabinett mit dem Kurfürsten an der Spitze, so 
daß nur mit dessen Zustimmung alle wichtigen Anordnungen im Lande ge¬ 
troffen wurden. Für jeden größeren Bezirk wurde ein Obcrkommissar oder 
Kriegsrat angestellt, der die Ausführung der Anordnungen zu überwachen 
hatte. Die Bezirke waren wiederum in Kreise geteilt, die einem Kreis¬ 
kommissar (später Landrat) zur Verwaltung unterstellt waren. Dieser wurde 
-nicht mehr von den Ständen, sondern vom Kurfürsten ernannt und hatte ihm 
den Treueid zu leisten. So führte der Kurfürst in der Staatsverwaltung die 
absolute Regierung durch. 
8. Die Sorge um die Wohlfahrt des Landes. In den Jahren des 
Friedens erwies sich der Große Kurfürst als ein rechter Landesvater. Seine 
erste Sorge galt der Landwirtschaft. In die verödeten Dörfer berief er 
Ansiedler ans Holland und der Schweiz. Er überwies ihnen Land und Holz 
zum Hausbau unentgeltlich, schenkte ihnen Saatkorn und Zugvieh und be¬ 
freite sic auf 6 Jahre von allen Abgaben. Als wichtige Nahrnngspflanze 
führte er die Kartoffel und als neue Nutzpflanze den Tabak ein. Durch 
Gärtner ans Holland wurde der Gartenbau im Lande gefördert. Um die 
verödeten Gegenden wieder freundlich und ertragreich zu gestalten, erließ er 
die Bestimmung, daß jeder Bauernsohn vor seiner Verheiratung sechs Obst- 
bäume und sechs Eichen gepflanzt haben mußte. — Zugleich wandte der Kur¬ 
fürst dem Gewerbe und Handel seine Aufmerksamkeit zu. Die verwüsteten 
Städte wurden allmählich wieder aufgebaut und Ansiedler herbeigezogen.
	        
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