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ähnlicher Weise wurden später das Warthe- und Netzebruch in fruchtbares
Acker- und Weideland verwandelt. Die Besiedlung Westpreußens ließ sich der
König besonders angelegen sein. Dem in jeder Weise vernachlässigten Lande
kam er durch Ansiedlung von Beamten, Ärzten, Lehrern, Kaufleuten, Hand¬
werkern und Landwirten zu Hilfe, so daß allmählich gegen 250 000 Deutsche
sich dort seßhaft machten. — Im ganzen Lande förderte Friedrich d. Gr. den
Anbau von Gartengewächsen und die Anpflanzung von Obstbäumen. Zur
Hebung des Seidenbaues sorgte er für die Einführung des Maulbeerbaumes.
Der Verbreitung des Kartoffelbanes kam besonders die Hungersnot infolge
des Mißwuchses in den Jahren 177t und 1772 zu gute. Auch die Einführung
der Zuckerrübe und des Hopfens ist Friedrich zu danken; Rindvieh-, Schaf-
und Bienenzucht begünstigte er. Endlich erleichterte er die Lasten der leib¬
eigenen Bauern, gab auf einer Anzahl Domänen die Bauern frei und schränkte
die Frondienste ans den Gütern der Adligen ein.
7. Rechtspflege. Aus dem Gebiete der Rechtspflege nahm Friedrich
d. Gr. wesentliche Änderungen vor. Auf dem Lande hatten bisher königliche
Amtleute die Gerichtsbarkeit ohne Kenntnis der Gesetze geübt. Diesen ließ
der König nur die Verwaltung und übertrug die Rechtsprechung besonderen
Richtern. Er selbst hielt streng ans Recht und Gerechtigkeit und betrachtete
sich als Verteidiger der Armen und Bedrückten. (Erzählung vom Müller
bei Sanssouci). Jedermann, dem etwa Unrecht geschehen war, durfte sich
persönlich an ihn wenden. „Vor der Justiz sind alle Leute gleich, es mag
sein ein Prinz, der gegen einen Bauern klagt, oder auch umgekehrt". So
wurde Preußen aus dem Militärstaat Friedrich Wilhelms I. ein Rechtsstaat.
— Für die Obergerichte wurden gelehrte und erfahrene Richter bestimmt; das
Prozeßverfahren wurde vereinfacht und beschleunigt, die Anwendung der Folter
bei der Vernehmung abgeschafft. Sein Hauptverdienst aber auf dem Gebiete
der Rechtspflege erwarb sich Friedrich d. Gr. durch die Abfassung eines ein¬
heitlichen Gesetzbuches, des „Allgemeinen Landrcchtes", das 1794 unter
Friedrich Wilhelm II. vollendet wurde und bis zum Jahre 1900 Geltung
besaß.
8. Förderung der Volksbildung. Friedrich der Große hatte ans seinen
Reisen durch das Land die geringe geistige Bildung des Volkes kennen ge¬
lernt; deshalb suchte er die Schulverhältnisse in den Provinzen zu bessern und
unterstützte alle Bildungsbestrebnngen bereitwillig. Der König erließ eine „All¬
gemeine Schulordnung für Landschulen", wonach die Kinder vom 5.—13. Jahre
zum Schulbesuch verpflichtet waren. Er sorgte ferner für ordentlich vor¬
gebildete Lehrer und gute Schulbücher, wie auch für die nötige Schulaufsicht.
Eine ähnliche Schulordnung veröffentlichte er nach dem Siebenjährigen Kriege
auch für die katholischen Schulen Schlesiens und drang auf Errichtung neuer
Schulen. In Berlin begünstigte Friedrich die vom Prediger Johann Hecker
gegründete Realschule, die erste in Preußen, die besonders jungen Leuten für
das Handelsfach, das Gewerbe und die Landwirtschaft die Vorbildung geben
sollte. Auch das erste Lehrerseminar in Berlin wurde von Hecker begründet
und durch den König unterstützt.