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Jungen Handwerkern gewährte man Erleichterungen aller Art, wie auch jedem
Einwohner die Erlernung eines Handwerks gestattet wurde. Der Kurfürst be¬
günstigte ferner die Anlage von Fabriken und legte selbst die erste Zucker¬
siederei, eine Seifenfabrik und eine Gewehrfabrik an; er unterstützte die Er¬
richtung von Eisenhammerwerken, Papiermühlen, Glashütten, Gerbereien und
Wollspinnereien. Das Gewerbewesen wurde durch den Zuzug der Hugenotten
besonders gefördert. Es waren dies französische Protestanten, die ihres
Glaubens wegen ihr Land verlassen hatten und durch den Großen Kurfürsten
eingeladen worden waren, sich in seinem Lande niederzulassen (S. 62).
Die meisten siedelten sich in Berlin (Dorotheenstadt, Friedrichswerder) an und
brachten verschiedene neue Gewerbe ins Land, so die Seiden- und Samtweberei,
die Hut- und Handschuhmachern, die Uhren- und Spiegelsabrikation. Zur
Förderung des Handels wurden die Straßen und Brücken im Lande verbessert
und verniehrt; auch wurde das Postwesen neu geordnet; zur Verbindung der
Oder niit der Spree legte er den Friedrich-Wilhelms-Kanal an. Dadurch wurde
Berlin ein wichtiger Handelsplatz auf dem Wasserwege zwischen Oder und Elbe.
9. Gründung einer Kriegsflotte und Kolonie. Auch einen Versuch mit
der Gründung einer Handels- und Kriegsflotte machte der Große Kurfürst.
Er kaufte 10 holländische Schiffe, die er zu Kriegszwecken umgestalten und
mit Kanonen ausrüsten ließ. Ein holländischer Seemann, namens Benjamin
Raule (Ranles Hos an der Alten Leipziger Straße), befehligte sie. Nach dem
Beispiele Hollands wollte er auch in fremden Erdteilen Kolonien gründen,
um dem Handel neue Absatzgebiete zu schaffen. Deshalb stiftete er die
Afrikanische Handelsgesellschaft und kaufte an der Goldküste von Guinea ein
Stück Land, wo (1683) die Niederlassung Groß-Friedrichsbnrg begründet
wurde. Zwischen Brandenburg und der Kolonie entwickelte sich allmählich ein
Tauschhandel, besonders in Goldstaub und Elfenbein.
10. Fürsorge für Berlin. Besondere Fürsorge wandte der Große
Kurfürst seiner Residenzstadt Berlin zu. Unter den traurigsten Verhältnissen
hatte er sie übernommen; kaum 6000 Einwohner waren von Krieg, Pest und
Hungersnot verschont geblieben, ganze Straßen waren ausgestorben. Der
Kurfürst ließ die niedergebrannten Häuser neu aufbauen, wobei die Straßen
regelmäßig angelegt und gepflastert wurden. Die Viehställe und Kehrichthaufen
mußten von den Straßen entfernt werden; Laternen wurden angebracht und
die ganze Stadt mit Wall und Graben befestigt. Zwei neue Stadtteile, die
Dorotheenstadt (nach seiner zweiten' Gemahlin benannt) und der Friedrichs¬
werder, entstanden. Auf dem entwässerten Plan zwischen Spree und Schleusen¬
graben ließ der Kurfürst einen Lustgarten einrichten, wo er und seine Gemahlin
Luise Henriette in vorbildlicher Weise sich mit Gartenbau beschäftigten. Das
kurfürstliche Schloß an der Spree wurde weiter ausgebaut und die Straße
' „Unter den Linden" angelegt. Zur Förderung der Bildung verlegte er das
Joachimsthalsche Gymnasium nach Berlin und begründete die Königliche Bibliothek.
Durch die Neuordnung des Postwesens und die Anlage des Friedrich-
Wilhelms-Kanals hoben sich Handel und Verkehr in der Hauptstadt, so daß
die Einwohnerzahl wieder aus 20 000 wuchs.