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9. Der Befreiungskampf in Nordamerika (1775—1783). In das
letzte Jahrzehnt von Friedrichs Leben fällt der heldenmütige Befreiungskampf
der nordamerikanischen Freistaaten. Zur Zeit der religiösen Kämpfe in Eng¬
land wanderten viele Verfolgte nach Nordamerika aus und gründeten dort
Kolonien, die bald einen hohen Aufschwung nahmen, so Virginien, nach
der jungfräulichen Königin Elisabeth, und Pennsylvanien, nach dem edlen
Quäker Penn genannt. Flüchtlinge aus ganz Europa fanden in Phila¬
delphia, der Stadt der Bruderliebe, eine neue Heimat.
Um seinen leeren Staatssäckel zu füllen, legte das englische Mutterland
den Kolonien hohe Steuern und Zölle auf. Überall erregte diese Willkür
Unzufriedenheit. Der Herd des Widerstandes war die Stadt Boston. Hier
versagte man sich lieber den Genuß von Thee, als daß man besteuerte Waren
kaufte, ja eine ganze Schiffsladung warf man ins Meer. Damit begann
der Aufstand der 13 vereinigten Staaten von Nordamerika. In
einem langen, wechselvollen Kriege erkämpften sie ihre Unabhängigkeit. An
die Spitze berief das allgemeine Vertrauen den edlen, großen General Georg
Washington (spr. Uoschingtn) und den schlichten, trefflichen Buchdrucker
Benjamin Franklin, „der dem Himmel den Blitz und den Tyrannen
das Zepter entriß". Verbündet mit den Amerikanern waren die Franzosen,
welche das verlorene Kanada von England wiedergewinnen wollten. Im
Jahre 1783 erkannte England im Frieden von Versailles die Unab¬
hängigkeit der Vereinigten Staaten an. Washington wurde der erste
Präsident der jungen Republik.
25. Friedrich Wilhelm II. (1786-1797) und die
französische Revolution.
1. Sein Wesen und seine Regierung. Friedrich Wilhelm II. war
ein Neffe Friedrichs des Großen, aber er hatte weder den Geist noch die Kraft,
den Staat seines großen Oheims auf der Nuhmeshöhe zu erhalten. Er war
zwar mild und gütig, aber auch schwach
und genußliebend. Sein Wahlspruch
hieß: „Aufrichtig und standhaft!"
Durch seine Freundlichkeit und mancher¬
lei Erleichterungen gewann er rasch das
Vertrauen des Volkes. Er beförderte
viele Bürgerliche zu höheren Stellen,
hob einige drückende Steuern auf, setzte
deutsche Steuerbeamte statt der fran¬
zösischen ein und verwandte viel Sorg¬
falt auf das Schulwesen. Den äußeren
Umfang des Landes erweiterte er un¬
gemein durch die zweite und dritte
Teilung Polens (1793 und 95), wo¬
durch er das Land bis an die Weichsel
mit Posen und Warschau erhielt. Aber
die Größe des Landes macht nicht das
Glück des Volkes aus. Der Hof liebte das Vergnügen mehr als die Arbeit
und gab dem Volke kein gutes Beispiel. Die Schuldenlast, die Unsittlichkeit
und Ünzufriedenheit wuchsen.
2. Ausbruch der französischen Revolution (1789). In Frankreich
hatten die Könige durch Sittenlosigkeit, Verschwendung und ungerechte Kriege
41. Friedrich Wilhelm II.