Full text: Altertum (Teil 1, [Schülerband])

— 102 
Die Sibylli- der großen Festlichkeiten. Im Tempel des Jupiter hinterlegte Tarquinius 
nischen auch die Sibyllinischen Bücher, die er auf eine merkwürdige 
Bücher, Art erwarb. Einst erschien eine „Sibylle“, eine wahrsagende Frau, 
bei ihm und bot ihm neun Bücher um sehr hohen Preis an. Er wies 
sie zurück. Nach einiger Zeit brachte sie ihm sechs der Bücher um 
den gleichen Preis. Wieder zurückgewiesen, erschien sie endlich mit. 
drei Büchern und verlangte dieselbe große Summe wie das erstemal. 
Die andern Bücher hatte sie inzwischen verbrannt. Nun zahlte der 
König, den Wert des Angebots erkennend, den hohen Preis für die 
drei letzten Bücher. Es war eine Sammlung alter Orakelsprüche, die 
die Römer in Zeiten der Gefahr von außen oder der Not im Innern 
stets zu Rate zogen. 
Tarquinius stieß durch seine Willkür und Grausamkeit den Adel 
Tarquinius #b und bedrückte die Plebs durch harte Steuern und Frondienste. 
„Superbus“, Man nannte ihn den Übermütigen, Superbus. Durch böse 
Träume geängstigt, sendete er seine beiden Söhne nach Delphi, 
, den Gott zu befragen. Zur Gesellschaft gab er ihnen einen Vetter, 
as Junius, mit, den er spöttisch den „Dummen“, Brutus, nannte; 
” er stellte sich nämlich blödsinnig, um nicht von dem argwöhnischen 
König hingerichtet zu werden. Als die Söhne die Antwort des Orakels 
erhalten hatten, befragten sie es auch um ihr Los: der Gott verhieß 
die Herrschaft demjenigen, der nach der Heimkehr zuerst die Mutter 
küssen werde, Bei der Ankunft in Italien stürzte Brutus wie zufällig und 
küßte unbemerkt die Mutter Erde; er hatte den Sinn des Spruches erraten. 
Einige Zeit später beleidigte Sextus, des Königs Sohn, die 
Lucretia, treue Gattin seines Vetters Tarquinius Collatinus, Lucretia, 
auf das schmählichste. Am nächsten Morgen rief diese ihre Verwandten ; 
sie kamen mit Brutus. Unter Tränen erzählte die edle Frau rache- 
heischend ihre Schmach und stieß sich selbst den Dolch ins Herz, 
Da erhob sich der bisher so verkannte Brutus und schwor dem 
verbrecherischen Königshause den Untergang. Er schloß mit Collatinus 
den Bund der Rache und eilte nach Rom, das Volk zur Empörung 
aufzuwiegeln. Der König, der eben auf einem Kriegszug begriffen war, 
kehrte auf die Nachricht hievon sofort nach der Stadt zurück, doch 
fand er verschlossene Tore; die Volksversammlung hatte ihn des 
Thrones entsetzt und das Heer fiel von ihm ab. Er mußte mit seiner 
Familie in die Verbannung nach Etrurien gehen; die Römer aber 
schafften das Königtum für alle Zeiten ab, Rom wurde ein Freistaat 
Brutus und Republik) und mit der Leitung des Staates betraute das Volk 
Collatimas die beiden Befreier, Brutus und Collatinus. Sie wurden die ersten 
Konsuln, „Konsuln“, Das war in derselben Zeit geschehen, in der die 
510 v. Chr, Athener ihren Tyrannen verjagten. 
Wie Hippias versuchte auch Tarquinius vergebens, die Herrschaft 
wieder zu gewinnen. Er hetzte die Etyusker gegen Rom, ja er 
veranlaßte durch Gesandte sogar eine Verschwörung der vornehmen 
Brutus’ Jugend in Rom; auch die Söhne der Konsuln waren an ihr beteiligt. 
Söhne hin- Brutus, der das Wohl des Vaterlandes höher stellte als das der Familie, 
gerichtet, ließ als Konsul seine eigenen Söhne enthaupten. 
Soviel erzählen uns die Sagen über die römische Königszeit.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.