Full text: Badisches Realienbuch

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2. Städte im Mittelalter. 
1. Entstehung. Im 10. Jahrhundert gab es in Deutschland noch fast gar keine 
Städte. Die von den Römern am Rhein und an der Donau errichteten Befestigungen 
waren zur Zeit der Völkerwanderung vernichtet, dann notdürftig wieder aufgebaut 
und in den Normannen- und Ungarnkämpfen zum Teil wieder zerstört und ver¬ 
fallen. Wir finden überall bäuerliche Verhältnisse. Das Bedürfnis, sich gegen 
Feinde zu schützen, trieb zur Anlage von befestigten Plätzen. Um die Königspfalzen 
und Bischofssitze, auch bei Klöstern siedelten sich Hörige im Dienste ihrer Herren 
an. Dazu kamen auch Freie: Bauern und Handwerker. Die ganze Ansiedlung 
wurde mit Mauer und Graben umgeben. Man nannte sie Burg und ihre Bewohner 
Bürger. Solche befestigten Plätze waren aber noch keine Städte mit eigener Obrig¬ 
keit und eigenem Recht. Die städtische Entwicklung hat erst der Handel bewirkt. 
Kaufleute, die ihre bewegliche Habe am leichtesten durch die Feinde verlieren konnten, 
suchten hier Schutz. Die Märkte wurden in die Burgen verlegt. Dadurch kamen 
sowohl Leute als auch Reichtümer herzu. Der König verlieh solchen Orten das 
Marktrecht und damit seinen besonderen königlichen Schutz. Zur Zeit des Marktes 
wurde eine Stange ausgerichtet mit Schwert, Handschuh, Hut, Kreuz oder Fahne. 
Daraus entstanden später die Rolandsäulen, die in vielen Städten den Marktplatz 
zierten. Nun genoß der Ort selbst und auch der zugereiste Kaufmann den Königs¬ 
frieden. Ein Burggraf oder Schultheiß stand im Namen des Königs dem Markt¬ 
gericht vor und richtete mit den Schöffen in allen Marktsachen. Später übte der 
Rat der Stadt die Gerichtsbarkeit aus. Nach und nach bekamen die Städte immer 
mehr Recht, so daß sie auch über Leben und Tod ihrer Bürger richten konnten. Auf 
dem Marktplatz oder vor dem Tore stand der Galgen als Wahrzeichen solcher Macht. 
Alle Bürger waren dann nur diesem einen Gericht verantwortlich. Außer dem 
Gerichtswesen bekamen die Städte dann auch das Heer- und St euer wesen in 
ihre Hand. Die reich gewordenen Städte strebten darnach, sich von ihrem Grafen 
oder Bischof frei zu machen und nur den Kaiser über sich zu haben. Gelang ihnen 
das, so waren sie freie Reichsstädte, die anderen hießen Landstädte. Die 
Blütezeit der Städte beginnt im 13. und 14. Jahrhundert. 
2. Aussehen. Die Städte waren zum Schutze gegen die Feinde mit einer 
hohen, oft doppelten Mauer umgeben, auf der sich runde, eckige oder spitze Wehr¬ 
türme befanden. An einzelnen Stellen führten durch die Mauern in die Stadt 
enge Tore, die nachts durch mächtige Torflügel geschlossen wurden. Der Raum 
innerhalb der Mauern wurde sorgfältig ausgenutzt. Darum waren die Straßen 
eng, die Häuser hoch. Obere Stockwerke baute man oft mehrere Fuß breit über 
das untere heraus, so daß man über sich den blauen Himmel kaum sehen konnte. 
Meistens standen die Giebel nach der Straße hin. Die krummen Straßen waren 
ungepflastert. Da fast alle Bürger Ackerbau trieben und Vieh hielten, lag der 
Düngerhaufen neben dem Hanse. Des Morgens tutete der Hirt die Kühe zu¬ 
sammen und trieb sie auf die gemeinschaftliche Weide. Schweine liefen frei aus 
den Straßen umher. Bei schlechtem Wetter konnte man sich kaum durch den 
Schlamm und die Pfützen hindurcharbeiten. Die Unreinlichkeit verdarb die Luft 
und das Wasser. Ansteckende Krankheiten, ja Pest und Aussatz forderten viele 
Opfer. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts wütete der „schwarze Tod", eine furcht-
	        
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