101
I
d) Landung. Endlich zeigten sich große Scharen von Vögeln, die in südwest¬
licher Richtung vorüberzogen. Diese Richtung schlug auch Kolumbus ein. Bald
mehrten sich die Anzeichen des nahen Landes. Man fand einen Banmast mit Beeren
und einen künstlich geschnitzten Stab. Alle waren in gespanntester Erwartung.
Es war am 70. Tage nach der Abfahrt. Die Sonne war eben untergegangen.
Kolumbus gab Befehl, streng Wache zu halten, da er Klippen befürchtete. Ilm
10 Uhr abends erblickte er Licht, aber es verschwand wieder. Da — um 2 Uhr nachts
— feuerte das voraufsegelnde Schiff einen Kanonenschuß ab, und „Land, Land!"
erscholl es vom Mastkorbe herab. Unter Tränen stürzte sich die Mannschaft in die
Arme und sang aus voller Seele: „Herr Gott, dich loben wir." Mit Ungeduld er¬
wartete man den Anbruch des Tages. Als die Sonne im Osten erglühte, da er¬
blickten sie dicht vor sich eine schöne, grüne Insel. Kolumbus bestieg, in Scharlach
gekleidet und eine Fahne in der Hand haltend, mit seinen Gefährten ein Boot und
fuhr dem Lande zu. Als sie es erreicht hatten, betrat er zuerst die Insel, kniete nieder
und dankte Gott für seinen Beistand. Dann zog er sein Schwert, ließ die Fahne
wehen und nahm von der Insel im Namen der spanischen Regierung Besitz. Die
Insel benannte er San Salvador, d. h. „zum heiligen Erlöser". Alle seine Be¬
gleiter mußten ihm den Eid des Gehorsams schwören und ihn als Admiral und
Vizekönig anerkennen.
e) Die Bewohner der Insel hatten sich bei der Ankunft der Fremden in
die Wälder geflüchtet. Da sie aber sahen, daß man ifjneu nichts zuleide tat, kamen
sie nach und nach wieder hervor. Sie gingen alle ganz nackt einher und hatten eine
kupferrote Hautfarbe. In Nase und Ohren trugen sie goldene Ringe, die sie jedoch
für Perlen, Bilder u. a. Kleinigkeiten gern hergaben. Von ihnen erfuhr man, daß
die Insel Guanahani heiße. Als man sie fragte, woher sie das Gold hätten, zeigten
sie nach Süden.
k) Heimkehr. Kolumbus glaubte nun ganz sicher, Indien erreicht zu haben,
und gab daher den Bewohnern der Insel den Namen „Indianer". Auf seiner
Weiterfahrt entdeckte er noch viele kleine Inseln, zuletzt auch Kuba und Haiti. Dann
trat er seine Heimreise an. Nach einer stürmischen Fahrt landete er in Spanien.
Hier wurde er mit ungeheuerm Jubel empfangen. In feierlichem Zuge geleitete
man ihn zum Schlosse des Königs. Gold, Baumwolle, Mahagoniholz u. a. Schätze
des neuentdeckten Landes wurden ihm vorangetragen, und mit Erstaunen betrachtete
man die Wilden, die ihm nach Europa gefolgt waren.
g) Fernere Reisen. Kolumbus unternahm nun noch drei Reisen nach dem
neu entdeckten Lande. Bald aber erweckte ihm sein Ruhm Neider, die ihn am
spanischen Hofe verleumdeten und seine Verwaltung der neu entdeckten Landes¬
teile in das schwärzeste Licht zu stellen suchten. Auf seiner dritten Reise wurde er
auf Haiti sogar in Ketten gelegt und so gefesselt nach Spanien gebracht. Hier stellte
sich jedoch seine Unschuld bald heraus, und Kolumbus unternahm nun noch seine
vierte Reise; aber auch diese brachte ihm nichts als Gram und Kummer. Gebrochen
an Leib und Seele, kehrte er nach Spanien zurück. Dort winde er kühl auf¬
genommen. Jsabella war gestorben, Ferdinand aber war ihm nicht hold gesinnt.
2lll die glänzenden Versprechungen, die ihm früher gemacht worden waren — er
sollte Unterkönig der neu zu entdeckenden Länder werden, den geanten Teil des
von ihnen zu erhoffenden Einkommens haben usw. — blieben unerfüllt. Ja, er