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körner im Felde aufpickt. Aber der Schaden wird dadurch wieder ausgeglichen,
daß sie den Samen vieler Unkräuter verzehrt. Da die Vögel keine Zähne
haben, so müssen sie ihre Nahrung ungekaut verschlucken. Bei den Tauben,
Hühnern und Laufvögeln geht die Speise aus der Speiseröhre zuerst in den
Kropf. Das ist eine sackartige Erweiterung der Speiseröhre, worin die Körner
aufgeweicht werden, bevor sie in den eigentlichen Magen gehen. Zum Auf—
weichen der Körner dient auch das Wasser. Daher trinkt die Taube oft. Wenn
sie trinkt, steckt sie den Schnabel tief ins Wasser und saugt es ein. Die Nasen—
löcher verschließt sie dabei durch Schuppen, wodurch ihr erst das Saugen er—
möglicht wird. Das Huhn kann nicht saugen, da es die Nasenlöcher nicht ver—
schließen kann. Es hebt daher nach jedem Schluck den Kopf in die Höhe, damit
das Wasser in den Schlund hinabgleite. Um die Körner besser zu verdauen,
nehmen die Tauben wie auch andere Vögel gern Sandkörner zu sich, wodurch
die Speisen im Magen wie zwischen Mühlsteinen zerrieben werden. Daher ist
der Magen innen mit einer harten Haut ausgekleidet, die durch dicke Muskeln
bewegt wird. In dem Kropfe der Taube sondert sich ein weißer Brei ab, mit
dem die anfangs blinden Jungen in der ersten Zeit „geatzt“ werden. Durch diese
Eigentümlichkeiten unterscheiden sich die Tauben von allen anderen Vögeln.
Die Taube brütet während eines Jahres wohl drei- bis sechsmal und jedesmal
ein Paar aus. Das Fleisch der Jungen ist sehr wohlschmeckend und leicht ver—
daulich, weshalb es Kranken verordnet wird.
2. Sinnesart. Schon seit alten Zeiten gilt die Taube als Bote des Friedens.
Sündflut.) Gern sitzt sie mit ihresgleichen gesellig auf dem Dache und läßt
hier ihr tiefes Glucksen und Girren hören. Oft auch sehen wir, wie sich die
Tauben ihre Liebe untereinander durch Schnäbeln und Kosen bezeugen. Aber
zeitweise hört diese Freundschaft doch auf, namentlich wenn es sich um das
Futter handelt. Auch gegen ihre Brut ist die Taube oft recht herzlos. Die
Jungen sind Nesthocker. (S. 31.) Sie kommen nackt aus dem Ei, bleiben
mehrere Wochen im Neste und bedürfen sorgfältiger Pflege. Berührt man das
Nest, während die Taube Junge hat, so fliegt sie davon und läßt die Jungen
hilflos liegen. — Reinlichkeit liebt die Taube sehr; deshalb hat sie es gern, wenn
der Taubenschlag recht oft mit frischem Sande bestreut wird. Auch müssen die
Nester nach jeder Brut gereinigt werden.
3. Die Brieftaube zeichnet sich durch besonders kräftige Flügelmuskeln und
einen sehr hohen Flug aus. Um sie zum Brieftragen abzurichten, bringt man die
jungen Tauben, immer dieselbe Richtung einschlagend, in Körben zuerst in
geringerer, allmählich aber in größerer Entfernung an einen fremden Ort und
läßt sie von dort aus fliegen. Sie finden ihre Heimat immer wieder, selbst aus
Entfernungen von 6—800 km und nach jahrelanger Abwesenheit. In neuerer
Zeit hat man Brieftauben auch zum Hin- und Rückfluge abgerichtet. Eine
solche Taubenpost legt in der Regel 50—60 km in einer Stunde zurück. Vor—
zügliche Flieger haben es aber schon auf das Doppelte und Dreifache dieser
Schnelligkeit gebracht. — Schon in alter Zeit waren die Brieftauben bekannt.
Durch die Belagerung von Paris 1870 aber haben sie eine erhöhte Bedeutung
bekommen. Man brachte damals vermittels Ballons 354 Brieftauben aus der
französischen Hauptstadt fort, von denen jedoch nur 100 zurückkehrten. Sie be—