83
für das Vaterland vergossen hatte, erhoffte es für sich auch eine größere Freiheit.
Vor allem wünschte es, durch selbstgewählte Vertreter bei Beratung der Gesetze
sowie Feststellung der Steuern seinen Willen zum Ausdruck zu bringen. (Be¬
schränkte Monarchie.) Schon Friedrich Wilhelm III. hatte dem Volke die
gewünschte Verfassung in Aussicht gestellt, aber nicht gegeben. Auch sein Sohn
Friedrich Wilhelm IV. wollte anfangs von einer solchen nichts wissen, da er
fürchtete, durch die Einrichtung einer Volksvertretung von seiner königlichen
Macht zuviel einzubüßen.
2. Revolution von 1848. Im Februar 1848 war in Frankreich wiederum 1343
eine Revolution ausgebrochen. Man hatte den König verjagt und eine Republik
errichtet. Die Nachricht darüber zündete auch in Deutschland. Die Unzufriedenheit
war auch hier überall groß. König Friedrich Wilhelm IV. erließ am 18. März
eine Bekanntmachung, worin er dem Volke eine freiheitliche Verfassung versprach.
Als er am Nachmittage vom Balkon des Schlosses herab selbst seinen Entschluß
verkündete, da schwenkte das Volk auf dem Schloßplätze die Hüte und rief ihm
brausende Hurras entgegen. Während dann aber das Militär die zu weit Vor¬
dringenden zurückhalten wollte, fielen plötzlich zwei Schüsse. Niemand wußte, woher
sie gekommen waren. Es war auch keiner getroffen worden. „Wir sind ver¬
raten!" schrie das Volk und griff zu den Waffen. In wenigen Stunden waren
alle Straßen durch Barrikaden gesperrt und Häuser und Fenster mit Bewaffneten
besetzt. Nun folgte ein blutiger Straßenkampf, der die ganze Nacht andauerte.
Von diesem Blutbade aufs tiefste bewegt, gab der König Befehl zum Abzüge des
Militärs und willigte in die Errichtung einer Bürgerwehr. Während dieser be¬
wegten Zeit stockte Handel und Wandel. Die wohlhabenden Familien verließen
Berlin, die Armen aber litten Not; denn es fehlte an Verdienst. Erst allmählich
wurde die Ruhe in Berlin wieder hergestellt.
3. ñblebnung cker KaiTerwürde. Neben dem Wunsche einer freieren Verfassung
hatte das Volk ein immer dringenderes Verlangen nach der Einigung Deutschlands.
Um die Angelegenheiten des Reiches zu regeln, wurden im Jahre 1848 Abgeordnete nach
Frankfurt a. M. geschickt. Es war nun die Frage, ob Österreich oder Preußen die
Führerschaft und damit die Kaisergewalt erhalten sollte. Die Mehrzahl der Abgeordneten
entschied sich für Preußen, da dieses ein rein deutsches Land sei und von jeher das Wohl
Deutschlands als sein Wohl angesehen habe. Als aber die Abgesandten in Berlin erschienen
und dem Könige die Kaiserkrone anboten, lehnte er sie ab. Er wollte sich dieser Krone
wegen nicht mit Österreich, vier Königen und Rußland in einen Krieg stürzen. Die
Einigung Deutschlands war damit vorläufig gescheitert.
4. Verfassung. Im Jahre 1850 gab der König seinem Lande eine neue Verfassung,
die noch heute im großen und ganzen zu Recht besteht. An der Spitze des Staates steht
der König. Seine Person ist unverletzlich. Die Erlasse des Königs bedürfen zu ihrer
Gültigkeit der Gegenzeichnung eines Ministers, der dadurch die Verantwortung übernimmt.
Dem König allein steht die vollziehende Gewalt zu. Er ernennt die Minister, Staats¬
beamten und Offiziere, verkündigt die Gesetze und erläßt die zu ihrer Ausführung nötigen
Verordnungen. Er kann Strafen mildern und erlassen, entscheidet über Krieg und Frieden
und führt den Oberbefehl über das Heer. Gesetze gibt der König in Gemeinschaft mit
den beiden Häusern des Landtags, dem Herrenhause und dem Hause der Abgeordneten.
Der Landtag regelt auch die Einnahmen und Ausgaben des Staates. Das Herrenhaus
setzt sich zusammen aus den königlichen Prinzen, den Vertretern der Großgrundbesitzer,
der großen Städte und der Hochschulen. Das Haus der Abgeordneten besteht aus den
Vertretern des Volkes, die alle fünf Jahre neu gewählt werden. Alle Preußen, die das
24. Lebensjahr vollendet haben, werden nach der Höhe ihrer Staatssteuern in drei Klassen