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zurückgezogen haben. Der Rabe kommt im Winter auf den Hof, weil auf dem Felde
alles verschneit ist. Der scheue Hase wagt sich bis in die Kohlgärten, und die Meise
klopft selbst an die Bienenstöcke, um die Bewohner hervorzulocken. Die Zugvögel ziehen
bei Beginn des Winters in andere Länder, wo es warn: ist und das Futter nicht fehlt.
Manche Tiere halten einen Winterschlaf.
2. Auch die meisten Pflanzen halten gewissermaßen nur einen Winterschlaf. Ihre
Blätter sind zwar dahin, aber ihre Wurzelstöcke, Zwiebeln und Knollen ruhen in der Erde.
In ihnen schläft das zukünftige Pflänzchen, bis es von der nächsten Frühlingssonne wach¬
gerufen wird. Die Obstbäume sind längst ihres Blätterschmuckes beraubt, aber in den
Knospen liegen ivohlverwahrt schon wieder Blätter und Blüten des nächsten Frühlings.
Bon dem Safte, der im Sommer Wurzelstöcke, Zwiebeln, Bäume usw. erfüllte, merkt man
nichts mehr. Er verwandelt sich im Herbste in Stärkemehlkörner. Diese liegen bei den
Bäumen größtenteils im Holz. Im Februar verwandelt sich das Stärkemehl in süßen Saft,
der als erste Nahrung das Schwellen der Knospen und das Wachsen der Blätter bewirkt.
XVI. Der Wald im Winter.
Kahl und öde steht der Laubwald da. Nur in den welken Blättern der Wintereiche
raschelt der Wind. Die Nadeln der Fichken, Kiefern usw. sind zwar sitzen geblieben, haben
sich aber dunkelgrün gefärbt und geben dem Walde ein ernstes, finsteres Aussehen. Hirsch
und Reh, Fuchs und Hase haben bereits ihr dichteres Winterkleid angezogen. Das Eich¬
hörnchen öffnet jetzt seine Vorratskammern und sitzt bei heftigen Schneestürmen wohlge¬
borgen im Neste. Schlimm ergeht es den Hirschen, Rehen und Hasen, wenn eine harte
Schneekruste den Boden deckt. Dann werden die Läufe leicht wund, und die abgenagte
Baumrinde vernrag den peinigenden Hunger nur dürftig zu stillen. Da hat es der Dachs
besser. Wohlgemästet von Schnecken, Obst und Rüben, rollt er sich in seinem Winter¬
lager zusammen, legt den Kopf zwischen die Vorderbeine und verschläft die kältesten Tage
des Winters. Specht und Meise klettern, nach Nahrung suchend, an den Bäumen umher,
und bei gelinder Witterung fliegt abends die Waldohreule auf den Mäusefang aus. Am
fröhlichsten verlebt der Zaunkönig den kalten Winter. Wenn alle anderen Vögel schweig¬
sam und verdrießlich dasitzen, dann pfeift er sein lustiges Liedchen so keck in die Welt
hinaus, als ob es bereits Frühling wäre. Der Kreuzschnabel baut sogar dem Wiitter
zum Trotze im Dezember hoch oben im Tannenbaume unter schneebedeckten Zweigen sein
Nest. In Erdlöchern aber liegen regungslos Eidechsen, Blindschleichen, Ringelnattern
u. a. mrd halten ihren Winterschlaf.
ic>6. jhirscb und Reh,
Der Hirsch ist das Wild des Hochwaldes, das Reh liebt mehr das Unter¬
holz und Gebüsch. Dieser Unterschied spricht sich schon in der verschiedenen
Große und im Geweih aus. Den stattlichen Hirsch hindert das Gebüsch zu sehr
in der Freiheit der Bewegung, dem Reh würde der unterholzlose Hochwald nicht
Schlupfwinkel genug bieten. Zu schnellem Laufen ist der Körper des Hirsches
eingerichtet, das zeigen der gestreckte Kopf und Leib, das kräftige und doch leichte
Bein. Das Reh kann zwar auch leicht laufen, doch liebt es mehr, sich zu
ducken, durch Schlupflöcher zu kriechen, im hohen Bogen zu springen. Dazu hat
es den schlanken Leib mit fast gekrümmtem Rücken, die hohen, schlanken Beine
mit spitzem Huf. Vorsichtiger als der Hirsch schaut es aus den großen Augen,
ängstlicher lauscht es mit den abstehenden Ohren, jeden Augenblick bereit, sich zu
ducken und lautlos zu entschlüpfen. Jener scheint sich feiner Schnelligkeit, aber
auch feiner Stärke mehr bewußt zu fein. Seine Augen sind kleiner, seine Ohren
verhältnismäßig nicht so groß. Die Schutzfärbung ist bei beiden ausgezeichnet.