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§ 42. Kaiser Wilhelm II.
wig-Holstein. Gott schenkte dem hohen Paare 7 Kinder, die zu der Eltern
und des Landes Freude herrlich gedeihen. Des Kronprinzen Geburt
(6. Mai 1882) rief in ganz Deutschland große Freude hervor. „Vier Kai¬
ser!" jubelte man. Soldatenspiel ist der jüngeren Prinzen liebste Beschäf¬
tigung. Die älteren müssen fleißig lernen, exerzieren, turnen, reiten, schwim¬
men und Schlittschuh laufen. Alter Sitte gemäß, werden unsere Prinzen
mit dem 10. Jahre Offiziere, auch die älteren Prinzen sind es bereits.
Die Erziehung ihrer Kinder bereitet der Kaiserin hohe Freude, und auch
ihr Gemahl findet trotz seiner vielfachen Arbeiten Zeit, sich mit den Prinzen
zu beschäftigen. So führt die kaiserliche Familie ein trautes Familienleben.
3. Seine Regierung trat er an im Trauerjahre 1888. 29 Jahre alt
bestieg er den Thron seiner Väter. Durch die schweren Schicksale war er in kurzer
Zeit zum ernsten Manne geworden. — Bald nach seinem Regierungsantritte
hielt er Ansprachen an die Mitglieder des deutschen Reichstages und
an die Abgeordneten des preußischen Volkes. Er gelobte: „Ich will
ein gerechter und milder Fürst sein; den Armen und Bedrängten will ich
helfen, den Frieden schirmen und die Wohlfahrt des Landes fördern!"
Und dies Gelübde hat er gehalten. Er hat weite und beschwerliche
Reisen unternommen an die Höfe der deutschen und der europäischen Für¬
sten, um zu zeigen, daß er den Frieden wünscht, und überall hat er die
Herzen der Fürsten und der Völker gewonnen.
Aber unser Kaiser arbeitet auch fleißig an der Vervollkommnung des
Heeres und der Kriegsflotte. So sind die Waffen verbessert und neues
raucharmes Pulver eingeführt worden. — Alljährlich nimmt der Kaiser teil
an mehreren Manövern. — 1890 erwarb er von der Königin von Eng¬
land die deutsche Insel Helgoland. Der Kaiser-Wilhelm-Kanal wurde
1895 vollendet. — Im Herbst 1898 unternahm er mit seiner Gemahlin
eine Reise nach dem Orient. Er besuchte den Sultan in Konstantinopel,
weihte die evangelische Erlöserkirche in Jerusalem ein, beschenkte daselbst den
katholischen Verein vom heiligen Grabe mit einem Gartengrundstück und weilte
voll Andacht an den geweihten Stätten des Heiligen Landes. — Er erließ
das Alters- und Jnvaliden-Pensionsgesetz, so daß jetzt der invalid
oder 70 Jahre alt gewordene Arbeiter seine Invaliden- und Alterspension
erhält. — Zur Kranken- und Invaliden- und Alterspensionskasse müssen
zwar die Arbeiter Beiträge zahlen, dafür empfangen sie die ihnen zustehenden
Beiträge nicht als ein Almosen und dürfen in die Vorstände der Kassen
ihre Vertreter wühlen, die dafür zu sorgen haben, daß den Arbeitern kein
Unrecht geschieht. — Weit höher als die Beiträge der Arbeiter sind die Zu¬
schüsse, die das Reich und die Arbeitgeber zahlen. — Die Regierung hat
ferner durch Gesetze „die Zeit, die Dauer und die Art der Arbeit so geregelt,
daß die Gesundheit, die Sittlichkeit, die wirtschaftlichen Bedürfnisse der
Arbeiter und ihre Gleichberechtigung gewahrt bleiben". Solchen Schutz
genießen die Arbeiter in keinem andern Staate. — Leute mit geringem
Einkommen zahlen in Preußen keine Staatssteuer. Auch ist das Schul¬
geld in den Volksschulen aufgehoben worden. So erweist sich unser