Full text: Realienbuch (Teil 2)

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Geschichte. 
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dahin aus Gänsekielen mit dem Federmesser zurechtschneiden mußte, wurde durch die Feder 
aus Stahlblech verdrängt. In den Haushaltungen hatte man bisher mühsam mit Feuer¬ 
stein, Stahl und Zunder Feuer schlagen müssen, wenn man sich nicht von dem Nachbar 
glühende Kohlen holen, „Feuer leihen", konnte. Im Jahre 1832 wurden die Streich¬ 
schwefelhölzer erfunden und fanden bald überall Anwendung. Später begann auch die 
Nähmaschine sich in den Familien einzubürgern. Mit Hilfe des Dampfes wurden Kessel 
geschmiedet, Schienen gewalzt und Maschinen verschiedenster Rrt gebaut. Der mechanische 
Webstuhl, der durch Dampfkraft getrieben wurde, stellte Leinwand und Tuche schnell und 
billig her. Dadurch wurde das Spinnrad, das in jedem Hause benutzt worden war, all¬ 
mählich überflüssig. Die Baumwolle wurde in großen Massen eingeführt und ersetzte 
vielfach den Flachs. In den Familien gewöhnte man sich an den Genuß von Kaffee, 
Tee, Kakao, Keis u. dgl. Je mehr die Erzeugnisse fremder Länder gebraucht wurden, 
desto lebhafter wurde der Seehandel. Die Zahl und Größe der Dampfschiffe nahm 
schnell zu,- die Segelschiffahrt, die von der Witterung abhängiger ist, ging zurück. — Das 
Zeitungswesen nahm einen gewaltigen Rufschwung. Man lernte, aus Holzbrei billiges 
Papier herzustellen. Die großen Druckereien wendeten statt der alten Handpresse die vom 
Dampfe betriebene Schnellpresse an, die in einer Stunde 15 000 und mehr Bogen bedruckte. 
Der elektrische Telegraph wurde eingeführt und übermittelte Nachrichten. Bus diese weise 
konnten die Zeitungen in kürzester Zeit und für wenig Geld Neuigkeiten aus aller Welt 
mitteilen. Sie fingen an, alle Tage zu erscheinen, und nahmen an Größe und Inhalt zu. — 
(Es gab bald kein Gewerbe, in dem die Maschine nicht benutzt wurde. Wohnstätte und 
Rrbeitsstätte schieden sich allmählich. Denn viele Menschen, z. V. Weber und Eisenarbeiter, 
fanden in der Heimarbeit, die bisher die Kegel gewesen war, nicht länger lohnenden 
verdienst. Sie wanderten nach den Städten und suchten in den Fabriken Rrbeit. Die 
Städte nahmen dadurch schnell an volkszahl zu. Neben den drei alten Ständen (Rdel, 
Bürger, Bauern) begann sich ein neuer, vierter Stand, der Rrbeiterstand, zu bilden. — 
In der langen Friedenszeit, die auf die Befreiungskriege folgte, strebte besonders 
der deutsche Vürgerstand mächtig empor. Rllmählich übernahm er in Wissenschaft und 
Kunst, in Handel und Gewerbe die Führung. 
II. Friedrich Wilhelm IV. 1840 —1861. 
1. Dc$ Königs Wesen. Friedrich Wilhelm IV. war der älteste Sohn Friedrich 
Wilhelms III. und der Königin Luise. Ausgestattet mit hohen Geistesgaben, hatte er 
sich eine gelehrte Bildung angeeignet, so daß er „sein Brot als Professor hätte erwerben" 
können. Dabei besaß er ein tiefes Verständnis für die Kunst und war ein witziger, ge¬ 
wandter Kedner. Er wollte das Beste seines Volkes. Für die unruhvolle Zeit, in die seine 
Regierung fiel, war er jedoch nicht tatkräftig genug. — Mit seiner Gemahlin Elisabeth 
lebte er in kinderloser, aber glücklicher Ehe. Sie unterstützte ihn getreulich bei allen Merken 
der Barmherzigkeit und pflegte ihn in den Tagen der Krankheit mit aufopfernder Liebe. 
2. Der versafsungskamps in Preußen. Der Wunsch nach einer „Verfassung" 
wurde, wie überall in Deutschland, so auch in Preußen allgemein gehegt. Das Volk wollte 
bei der Gesetzgebung und Rechtsprechung mitwirken. Keinem Bürger sollte es verwehrt sein, 
in Versammlungen und Zeitungen frei seine Meinung zu äußern. Friedrich Wilhelm I V. 
suchte den Hoffnungen des Volkes entgegenzukommen. Er berief deshalb 1847 einen 
„vereinigten Landtag", der aus Vertretern der acht preußischen Provinzen bestand. Der 
Landtag konnte sich jedoch mit der Regierung über die Rechte, die ihm eingeräumt werden
	        
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