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Hindus ist, wirkt bei der in Calcutta herrschenden Hitze ein Bad
sehr erquickend. Selbst im Januar sind 20° R. eine gewöhnliche
Hitze; der Mittag und Nachmittag muß daher bei verhängten
Fenstern im Hause zugebracht werden, und erst der schnelle Unter¬
gang der Sonne treibt uns wieder hinaus, entweder auf den
Corsa, den Sammelplatz der ganzen vornehmen Welt, oder in
die minder schöne Stadt der Eingebornen (native-town), um
dem eigentümlichen Volksleben zu lauschen und zu beobachten,
wie der Eingeborne das halbe Leben auf den flachen Dächern
seiner ein- oder zweistöckigen Häuser in patriarchalischem Familien¬
verein zubringt, oder sich an Musik, Tanz und harmlosen Scher¬
zen ergötzt. Dieser Stadttheil, auch die „schwarze Stadt" ge¬
nannt, bietet uns ein großes asiatisches Völkergemälde in der
buntesten Mischung und in der regsten Beweglichkeit dar; man
steht Perser und Araber, Einwohner der östlichen und westlichen
Inseln, Hindus aus allen Theilen Ostindiens, Chinesen und
Tibetaner, endlich Einwohner von Siam, Tunkin und Pegu, alle
mit ihren eigenthümlichen Formen, Trachten und Sprachen.
Da ein großer Theil der „schwarzen Stadt" aus engen,
schmutzigen Straßen und elenden Hütten besteht, so richten Krank¬
heiten, die stets im Gefolge der Armut und Entbehrung er¬
scheinen, oft große Verheerungen an, besonders wüthete die Cho¬
lera, als sie 1817 zum ersten Male auftrat, hier furchtbar. Ueber-
haupt ist Calcutta's Lage keineswegs für die Gesundheit günstig,
die umherliegenden Waldungen und Sümpfe machten sie anfangs
ebenso ungesund wie Batavia, aber viele Wasser sind in Kanäle
gesammelt, große Strecken entwässert und die Wälder gelichtet.
Doch auch jetzt noch weht von Süden, d. h. vom Ganges-Delta
her, eine gefahrvolle Fieberluft über die von Fort William am
linken Ufer des Hugly, beinahe 6 englische Meilen nördlich, wenn
auch in sehr verschiedener Breite sich hinziehende Hauptstadt von
Brittisch-Indien. Der südlichste Punkt, der etwa 100 englische
Meilen von der See erbauten Stadt ist das mehrerwähnte Fort,
Treppen hinabführen, die zu bauen ebenfalls für sehr verdienstlich ge¬
halten wird. Manche stürzen sich auch in den Ganges, um einen jeligen
Tod zu finden; der heilige Strom muß die Asche, oder wenigstens
die Leichname der Verstorbenen aufnehmen; im Ganges suchen selbst
Kranke Genesung, sein Wasser soll lieblich schmecken und sehr gesund
sein. Es ist in allen Pagoden und Tempeln das kostbarste Opfer und
wird auf den Schultern bis zur Südspitze Indiens getragen. Auf
Gangeswasser legt man seinen Eidschwur ab, wie in England und
anderswo auf die Bibel.