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2. Karls Person. Karl der Große war von stattlich hoher Gestalt; er maß
sieben seiner Fußlängen und besaß eine riesenhafte Stärke. Feine, ausländische
Kleidung mochte er nicht leiden. Am liebsten ging er in Kleidern, die ihm seine
Gemahlin oder seine Töchter gesponnen und gewebt hatten. Nur bei feierlichen
Gelegenheiten erschien er im königlichen Schmucke, auf dem Haupte die von Gold
und Diamanten strahlende Krone.
3. Frömmigkeit unck rastlose Tätigkeit. Die Kirche besuchte Karl nicht
nur frühmorgens, sondern auch nachmittags und abends. Er sorgte dafür, daß
die Gemeinden tüchtige Geistliche und Bischöfe bekamen, baute Kirchen und schmückte
sie mit Heiligenbildern würdig aus. Zur Verbesserung
des Kirchengesanges ließ er Sänger und Orgel¬
spieler aus Italien kommen; denn seine Franken sangen
schlecht, und wenn sie ihre rauhe Stimme ertönen ließen,
so klang es, wie wenn ein schwerer Lastwagen über
einen holperigen Knüppeldamm dahinrasselte. Auch
die deutsche Sprache suchte er zu veredeln und beim
Gottesdienste einzuführen. Die Predigt mußte in der
Volkssprache gehalten werden. Da viele Geistliche noch
sehr unwissend waren, ließ er für sie die Predigten
alter berühmter Kirchenväter übersetzen. Geistliche,
die nicht lesen konnten, mußten es noch lernen. Aus
dem Volke sollte jeder den Glauben und das Vater¬
unser auswendig lernen, und wer nicht wollte, wurde
mit Prügelstrafe bedroht. „Unausgesetzt war Karl
mit den Angelegenheiten seines Reiches beschäftigt; oft
stand er des Nachts 4—5 mal von seinem Lager auf
und wandte sich seinen Arbeiten zu; selbst beim An¬
kleiden verhandelte er von Geschäften mit seinen
Räten oder ließ Parteien vor, die seinen Richterspruch
suchten; beim Mahle ließ er sich geschichtliche oder
erbauliche Schriften vorlesen; keine Stunde verstrich
ungenutzt." Karl hatte in seiner Jugend wenig Ge¬
legenheit zum Lernen gehabt. Schreiben lernte er erst
Klei»?Bronz^stItu^ je'tzt t» im Mannesalter. Er hatte deshalb immer eine Schreib-
Museum Larnavalet tu Paris. tafcl von Wachs unter dem Kopfkissen liegen, und
nachts, wenn er nicht schlafen konnte, zog er sie hervor,
und übte die schwertgewohnte Hand im Führen des leichten Griffels. Doch
brachte er es in der Kunst des Schreibens nicht mehr weit; denn die meisten
seiner Unterschriften bestanden nur aus einem im Viereck gezogenen Strich. Karl
wollte, daß an seinem Hose keiner zu finden sei, der nicht lesen und schreiben
könne. Deshalb berief er gelehrte Männer zu sich und gründete eine Schule
an seinem Hofe, in der die Kinder seiner Diener, sowohl der hohen als der
niederen, unterrichtet wurden. Oft besuchte er diese Schulen, belohnte die
Fleißigen und strafte die Faulen. (Ged.: Wie Kaiser Karl Schulvisitation hielt.)
4. Der Heerbann. In Kriegszeiten ließ Karl den Heerbann aufbieten.
Zu diesem gehörten einmal alle Lehnsleute des Königs (Grafen, Bischöfe usw.)