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Geschichte. 
I 
Willkür. In den Städten war es nicht viel besser. Bei Prozessen bekamen die 
Gerichtsverwalter die Gebühren; deshalb zogen sich die Rechtsstreitigkeiten 
oft sehr in die Länge. Meist gewann der Reiche den Prozeß gegen den Arme::. 
Um diesen Übelstand zu beseitigen, trennte der König die Rechtspflege von der 
Verwaltung des Staates und schuf einen unabhängigen Richterstand, 
dem nur Rechtsgelehrte angehören durften. Die Richter bekamen ein festes 
Gehalt, und die Gebühren für Prozesse flössen fortan in die Staatskasse. Jeder 
Prozeß mußte im Laufe eines Jahres beendet sein. Im ganzen Staate sollte 
gleiches Recht gelten. Deshalb ließ der König durch seinen Großkanzler ein Gesetz¬ 
buch ausarbeiten. So entstand das „Allgemeine Landrecht", das erst 
nach Friedrichs Tode in Kraft trat und bis zum Jahre 1900 Geltung gehabt hat. 
Der oberste Grundsatz des Königs war: „Vor dem Gesetz sind alle Leute gleich." 
Darum befahl er den Richtern, ihre Urteile „ohne alles Ansehen der Person" 
zu fällen und erklärte: „Ungerechte Richter sind schlimmer und gefährlicher 
als eine Diebesbande." Auch die Beamten des Königs trugen viel dazu bei, 
daß Recht und Ordnung im Lande aufrechterhalten wurden. In den unteren 
Beamtenstellen befanden sich invalide Unteroffiziere, „alte Soldaten des Königs, 
die seine Schlachten gewonnen hatten und im Pulverdampf ergraut waren". 
„Sie dachten immer an ihren Dienst; er war ihre Ehre, ihr Stolz." Ihren 
schönsten Lohn erblickten sie darin, daß der König mit ihnen zufrieden war 
und zum Zeichen dafür bei der Durchreise mit wenigen Worten seine Zu¬ 
friedenheit ausdrückte. 
e) Sorge für die Schule. Um die Volksbildung zu heben, suchte Fried¬ 
rich besonders auf dem Lande Schulen einzurichten oder sie zu verbessern. Er 
wollte, „daß die Kinder der Bauern und Landleute einen vernünftigen und 
deutlichen Unterricht bekommen, damit ihr Verstand mehr aufgeklärt wird". 
In Westpreußen, im Bromberger Bezirk und im Ermlande gründete er viele 
neue Schulen. Da es damals noch keinen Lehrerstand gab, stellte er frühere 
Unteroffiziere an den Schulen an, damit sie müerrichteten, so gut sie konnten. 
Gleich nach dem Siebenjährigen Kriege erließ er das „General-Land¬ 
schulreglement", das für alle Teile seines Reiches Vorschriften über den 
Unterricht und die Schulaufsicht enthielt. Zur Ausbildung von Lehrern gründete 
er die ersten Lehrerseminare. In Berlin entstand während seiner Regierung 
die erste Realschule. 
8. Erste Teilung Polens. Zur Zeit Friedrichs des Großen bestand an der 
Ostgrenze unsers Vaterlandes ein großes Polenreich. Hier vererbte sich die 
Königskrone nicht vom Vater auf den Sohn, sondern Polen war ein Wahlreich, 
in dem der Adel die größte Macht besaß. Bei jeder Königswahl ließ er sich neue 
Rechte bestätigen und beschränkte damit die Macht des Königs mehr und mehr. 
So sanken die Herrscher in Polen zu Schattenkönigen herab, und der Adel tat 
zuletzt, was er wollte. — Gleich nach dem Siebenjährigen Kriege setzte es die 
Kaiserin von Rußland durch, daß einer ihrer Günstlinge zum Könige von Polen 
gewählt wurde. Run behandelte sie Polen wie eine russische Provinz. Friedrich
	        
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