§ 15. Das Leben im Mittelalter.
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und übermütig wurden und die strengen Ordnungen durchbrachen, da
unterlagen sie bei Tannenberg 1410 der Macht der Polenfürsten. West-
preuszen nahm der König von Polen in Besitz, und Ostpreußen erhielt
der Orden nur als polnisches Lehen. Im Jahre 1525 wurde Ostpreußen
ein w e l t l i ch e s H erz o g tu m. Der ersteHerzog AlbrechtwareinHohenzoUer.
B, Städteleben. 1. Das Äußere einer Stadt von damals unter¬
schied sich in mancherlei von dem der heutigen Städte. Hohe, oft mehrfache
Mauern, auch Wallgräben, umgaben die Stadt. Enge Tore führten hin¬
ein. So war in jenen unruhigen Zeiten die Stadt geschützt. Die Straßen
waren ungepflastert, eng und krumm. Die Bürgerhäuser wurden geschmückt
durch Erker, Bilder und fromme Sprüche. Die oberen Stockwerke ragten
oft über die unteren hervor. Am Marktplatze standen die Kirche und das
Rathaus, meist großartige Bauwerke mit schlanken Türmen. Auf dem
Turme hielt der Wächter scharfe Umschau.
2. Die Bewohner der Städte, die Bürger, waren anfangs jene
Bauern, welche nach dem Willen des Herrschers in die neugegründeten
Städte übersiedeln mußten (8 10,3). Ihre Nachkommen bildeten die Ge¬
schlechter und hatten lange Zeit allein das Stadtregiment in den Händen.
Vielfach hatten diese Leute ihre Leibeigenen mitgebracht. Zu diesen ge¬
sellten sich bald viele andere von ihren Grundherren bedrückte Landleute.
Da die Bebauung des zur Stadt gehörigen Feldes ihnen nicht genügende
Beschäftigung gewährte, so bildeten sich bald bestimmte Handwerke heraus.
Männer, die einerlei Gewerbe trieben, traten zu einer Innung oder Zunft
zusammen. Diese überwachte die Ausbildung der Lehrlinge, die Wander¬
schaft der Gesellen, und selbst der Meister stand unter ihrer Aufsicht, damit
er tadellose Ware liefere. So hob sich der Handwerkerstand; der einzelne
Meister wurde wohlhabend, und so gelangten auch die Zünfte, allerdings
erst nach oft blutigen Kämpfen, dazu, daß sie am Regiment der Stadt teil¬
nehmen durften. Neben dem Gewerbe blühte der Handel. Auf den
Märkten, die fast nur in den Städten abgehalten wurden, bot man die
Waren aus Stadt und Land seil. Der deutsche Kaufmann aber zog auch
in die fernsten Teile des Reiches, ja über die Grenzen desselben, und selbst
das Meer setzte ihm keine Schranken, um die Erzeugnisse der Heimat gegen
die anderer Länder auszutauschen. So zog z. B. der Breslauer Kaufmann
über Wien nach Venedig, um kostbare Seidenzeuge, Rosinen und Feigen
zu holen; sein Geschäft führte ihn sogar nach dem fernen Nowgorod in
Rußland, wo er kostbare Felle, Tee und Gewürze, die aus China und
Indien hierher gebracht wurden, gegen schlesisches Tuch und Leinwand
vertauschte, oder er zog nach den Küstenstüdten der Ostsee, um den Bern¬
stein und den Hering heimzubringen. — Zur Zeit der Kreuzzüge entstand
in Süddeutschland ein reger Verkehr. Die Schiffe der Kaufleute von
Venedig und Genua brachten die Waren des Morgenlandes nach Hause;
diese wurden nun nach allen Städten Europas versandt. Venedig und
Genua wurden mächtig, aber auch die Städte, mit denen sie in Handels¬
verbindung traten, Zürich, Augsburg, Ulm, Nürnberg u. a. Ihre Kauf-