IV. Obstbäume und Obststräucher.
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3. Durch das Okulieren oder Äugeln wird der Wildling am wenigsten verletzt.
Es wird entweder im Frühjahr oder im August vorgenommen. Das erstere heißt: das
Okulieren auf das treibende Auge, das andere: das 'Okulieren auf das schlafende Auge.
Das Okulieren unterscheidet sich dadurch vom Pfropfen und Kopulieren, daß statt eines
Edelreises ein einzelnes Auge eingesetzt wird. Man macht mit dem Okuliermesser etwa
1/2 cm über dem Auge einen Ouerschnitt und an den Seiten des Auges Bogenschnitte
nach unten in die Rinde und hebt diese mit dem Auge ab (Fig. 8). Man muß sich
aber davon überzeugen, ob der Augenkörper mit abgehoben ist. Dann macht man an
der Stelle, wo der Wildling veredelt werden soll, zunächst einen Ouerschnitt und von
der Mitte desselben abwärts einen Längsschnitt (I-Schnitt) in die Rinde, löst diese
nach beiden Seiten und schiebt das Rindenstück (Schildchen) mit dem Auge so ein, daß
sein oberer Rand die Rinde des Wildlings berührt, Pierauf umwickelt man die Stelle
mit Bast oder Baumwachsband, so daß nur das Auge frei bleibt. Das Okulieren kann
auch mittels des umgekehrten I-Sämittes vorgenommen werden (Fig. 8 d und c).
Behandlung der veredelten Bäumchen. Nach der pöhe der Gbstbäume und der
Form der Kronen unterscheidet man: Hochstämme, Zwerg-, Pyramiden- und
Spalierbäume. Pochstämme haben einen 2—2l/2 m hohen, Zwergstämme einen
l/2 m hohen Stamm; die Pyramidenbäume sind von unten auf nach allen Seiten mit
Zweigen bekleidet, und bei den Spalierbäumen breiten sich die Zweige fächerartig nach
zwei Seiten aus. Die Anzucht der verschiedenen Formei: wird durch den Schnitt be¬
werkstelligt. Wir wollen im folgenden kurz die Anzucht eines hochstämmigen Baumes
andeuten, die von jedem ohne gärtnerische Kenntnis vorgenommen werden kann.
Angenommen, wir hätten einen Wildling handbreit über dem Boden veredelt, und
von den 3 Augen des Edelreises wären 2 zum Treiben gekommen. Wir lasten beide
Triebe bis zum Juni wachsen; dann schneiden wir den schwächeren bis zur Mitte ab
und lasten nur den stärkeren weiter wachsen. Er erreicht im Laufe des Sommers eine
Länge von 1/2 m. Im Fiühling des nächsten Jahres schneiden wir den Stutzen des
zweiten Reises dicht am Stamm weg und kürzen auch den Paupttrieb auf 2/3 seiner
Länge. Die sich entwickelnden Seitentriebe werden im Juni wieder gekappt, während
man den obersten Trieb ungehindert wachsen läßt. In: Frühling des 3. Jahres werden
die Seitentriebe wieder scharf am Stamm abgeschnitten, und der Paupttrieb wird
gekürzt. So setzt man das Verfahren fort, bis der Stamm die erforderliche pöhe er¬
reicht hat. Dann bildet man aus drei starken Trieben die Krone.
§ 27. Das Verpflanzen eines Baumes erfolgt im perbste, im Winter oder im
Frühjahr, wenn der Boden frostfrei ist. Die Löcher, in welche die Bäume gepflanzt
werden sollen, gräbt man längere Zeit vorher. Diese werden etwa dreimal so breit
und tief gemacht, als es der Wurzelunrfang des Baumes verlangt. Soll der Baum
einen Pfahl erhalten, so wird dieser vor dem Pflanzen in das Loch gefetzt. Alle
beschädigten Wurzeln werden oberhalb der beschädigten Stelle abgeschnitten; ebenso
kappt man die Äste und Zweige. Pierauf fetzt man den Baum an den Pfahl und
läßt einen Gehilfen feine Erde auf die wurzeln werfen, während man selbst durch
Rütteln des Baumes dafür sorgt, daß die Wurzeln mit der Erde in genaue Berührung
kommen. Kein Baum darf tiefer in die Erde, als er gestanden hat. Dann
füllt man das Pflanzloch vollends zu, macht rings um den Stamm einen kleinen Erd¬
wall und gießt nun tüchtig an. Erst nach einigen Tagen darf der Baum an den
Pfahl festgebunden werden, weil er sich in der ersten Zeit mit dem Boden noch senkt.
Für die Pflege der Obstbäume im Obstgarten merke folgendes:
I- Schütze die Bäume vor ihren Feinden, insbesondere vor den schädlichen Raupen
des Baumweißlings, Ringelspinners, Goldasters und Frostspanners, durch fleißiges Ab¬
raupen im Frühlinge, und sorge durch Anbringung von Brutkästen für die Ansiedlung
insektenfressender Vögel im Obstgarten! ■— 2. Reinige die Stämme sorgfältig von Moos
und Flechten, was am besten nach einem Regen zu bewerkstelligen ist! — 3. Schneide