Full text: Anschaulich-ausführliches Realienbuch

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Gärtner gehaßt. Der Naturfreund aber hat sie gern und freut sich besonders über 
den Bau ihrer Blüten. Der Hintere Teil der Blütenkrone bildet eine enge Röhre, 
welche sich vorn erweitert und in zwei Teile spaltet. Dadurch erhält die Blüte 
Ähnlichkeit mit einem Rachen. Die Röhre bildet den Schlund, und die beiden Teile 
vorn stellen die Ober- und Unterlippe dar. Man nennt solche Blüten „Lippen¬ 
blüten". Die Oberlippe ist wie ein Helm gewölbt, die Unterlippe dreispaltig. In der 
Höhlung liegen zwei lange und zwei kurze Staubblätter. Zwischen ihnen befindet sich 
der Griffel mit zweiteiliger Narbe, von welcher ein kleiner Ast nach unten gerichtet ist. 
2. Besuch des Bienchens. Die Taubnessel heißt auch noch „Bienensaug". 
Diesen Namen führt sie nicht mit Unrecht. Unten in der Kelchröhre der Taubnessel 
befindet sich nämlich ein kreuzweise geteilter Fruchtknoten, welcher Honig ausscheidet. 
Durch letzteren angelockt, kommt das Bienchen oder die Hummel herbei, setzt sich auf 
die breite „Unterlippe" und zwängt den Rüssel in die enge Röhre hinein, um den 
Honig zu naschen. Aber die Blüte giebt ihren Nektar nicht umsonst. Sie verlangt 
vielmehr von der Biene einen Gegendienst. Während nämlich letztere sich gütlich 
thut, schütten die in der „Oberlippe" stehenden und von der Biene gerüttelten Staub¬ 
blätter ihren Blütenstaub auf den Rücken des Insekts herab. Ist der Honigtopf ge¬ 
leert, so fliegt das Bienchen weiter zur nächsten Taubnessel. Hier nimmt die gleich¬ 
falls in der Oberlippe stehende Narbe mit dem herabragenden Aste den Blütenstaub 
vom Rücken der Biene, und so hat letztere, ohne es zu wissen, die Bestäubung der 
Taubnessel bewirkt. 
61. Die grche Brennessel und ihre Ääsle. 
1. Die Brennessel, diese „Schlange des Pflanzenreichs", die überall an Zäunen 
und Hecken lauert, läßt nicht mit sich spaßen. Das weiß jeder, der sie einmal leicht 
mit der Hand berührt und sich daran „verbrannt" hat. Aber woher kommt dieses 
Brennen? Betrachten wir die Oberfläche des Blattes durch ein Vergrößerungsglas, 
so sehen wir, daß sie über und über mit kleinen Härchen besetzt ist. Das sind die 
sog. „Brennhaare". Dieselben tragen an der Spitze ein Knöpfchen und sind mit 
einem ätzenden Safte angefüllt. Sobald man die Brennhaare berührt, springt das 
Knöpfchen ab. Die spröde Spitze zerbricht und ritzt die Haut. Gleichzeitig dringt 
auch der ätzende Saft in die Wunde und verursacht dann jenes empfindliche Brennen. 
2. Die Gäste. Von Zeit zu Zeit erhält die Brennessel Besuch von einzelnen 
Schmetterlingen, namentlich stellen sich Pfauenauge, Admiral und Fuchs bei ihr ein. 
Was wollen sie? Etwa den Honig aus der Blüte naschen? Blüten hat zwar die 
Brennessel, sogar zweierlei: Stempel- und Staubblüten, aber Honig geben diese nicht, 
auch locken sie die Schmetterlinge nicht durch prächtige Farben und süßen Duft an; 
denn die Blüten sind sehr unscheinbar und fallen ihrer grünen Farbe wegen gar nicht 
in die Augen. Das, was die Schmetterlinge zur Brennessel treibt, ist etwas andres, 
nämlich die Sorge um die Nachkommenschaft. Die Raupen der genannten Schmetter¬ 
linge nähren sich nämlich fast nur von den Blättern der Brennessel. Darum suchen 
diese Schmetterlinge, die sich sonst um diese Pflanze gar nicht kümmern, dieselbe auch 
nur zu der Zeit aus, wenn sie ihre Eier legen wollen, damit die später auskriechenden 
Raupen auch sofort zu fressen haben. Wer aber sagt das dem Pfauenauge und 
Admiral? Haben sie vielleicht noch eine Ahnung, davon, daß auch sie einst in ihrem 
Raupenzustande auf der Brennessel gelebt haben? Wahrlich, die Natur ist überall 
voller Wunder und nötigt uns Erstaunen ab vor der wunderbaren Hand des all¬ 
mächtigen Schöpfers. 
62. Der Löwenzahn. 
1. Pflanzennamen. Diese Pflanze hat sehr verschiedene Namen. Von den eigen-
	        
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