122 Geschichte.
10. Gesetzgebung. Die Lage des Ar—
beiterstandes wurde durch das Alters- und In—
validitätsversicherungsgesetz, sowie durch das
Arbeiter⸗ und Rinderschutzgesetz weiter verbessert,
so daß die deutsche Gesetzgebung hierin für fremde
Völker vorbildlich geworden ist.
) Alters- und Invaliditätsversiche—
rungsgesetz (1889): Versicherungspflichtig ist jeder
Arbeiter, dessen Verdienst weniger als 2000 Mk.
jährlich beträgt. Die Beiträge richten sich nach der
höhe des Lohnes (4 Lohnklassen) und werden von
Erbeitgebern und Arbeitern je zur Hälfte getragen.
Wer das 70. Lebensjahr erreicht und 30 Jahre
Beiträge geleistet hat, empfängt eine Altersrente;
wer dauernd erwerbsunfähig ist und mindestens
5 Jahre Beiträge gezahlt hat, eine Invalidenrente.
Das Keich zahlt zu jeder Rente 50 Mk. Zuschuß
jährlich. Die Altersrente beträgt in der höchsten
Lohnklasse 191 Mk., in der niedrigsten 106 Mk. Die
Kronprinz Wilhelm. höhe der Invalidenrente richtet sich nach den Lohn—
klassen und nach der Sahl der Jahre, während welcher
Beiträge gezahlt worden sind. Sie erreicht in der höchsten Lohnklasse die Summe von 385 Mk.
2) Einführung der Gewerbegerichte (1890): Um gewerbliche Streitigkeiten zwischen
Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu schlichten, wurden Gewerbegerichte eingeführt, deren Bei—
sitzer je zur Hälfte aus Unternehmern und Arbeitern bestehen.
3) Arbeiterschutzgesetz (1891): Arbeiterinnen dürfen nicht zwischen 8 Uhr abends und
59 Uhr morgens beschäftigt werden; ihre Arbeitszeit soll 11 Stunden täglich nicht überschreiten.
Es ist verboten, Kinder unter 12 Jahren in Fabriken arbeiten zu lassen. Die Sonntagsarbeit
wird auf das notwendigste Maß beschränkt.
4) Kinderschutzgesetz (1903): Das Gesetz bestimmt, in welcher Zeit und in welchen Be—
trieben schulpflichtige Kinder arbeiten dürfen. Völlig verboten ist die Kinderarbeit bei Bauten,
in Ziegeleien, in Bergwerken, beim Schornsteinfegergewerbe, beim Steinklopfen, bei der Be—
förderung von Gütern, beim Mischen und Mahlen von Farben und bei Arbeiten in Rellereien.
Im Jahre 1900 trat das neue „Bürgerliche Gesetzbuch“ in Kraft, das für das
gesamte deutsche Vaterland Geltung besitzt. Die Einnahmen Preußens sind dadurch er—
heblich gestiegen, daß Leute mit hohem Einkommen stärker zur Steuer herangezogen
werden und daß jeder, dessen Jahreseinnahmen über 3000 Mark betragen, sich selbst
einschätzen muß.
11. Kaiser Wilhelms Fürsorge für das Keich. a) Eigene Tätigkeit. Ohne
Rast und Ruhe arbeitet Kaiser Wilhelm daran, die machtvolle Stellung Deutschlands
unter den Staaten der Erde zu erhalten und zu stärken. Er sorgt aber auch dafür,
„daß das Deutsche Reich von allen Seiten das unbedingte Vertrauen als eines ruhigen,
ehrlichen und friedlichen Nachbarn genießt“. KAuf allen Lebensgebieten will er seinem
Volke ein Führer sein, damit es „Gott vertrauend und in sich gefestigt, nach außen
entschlossen, nach innen geschlossen“, für die Fortentwicklung menschlicher Gesittung
und menschlichen Wissens arbeite. — Sammlung und Erholung sucht Kaiser Wilhelm
am liebsten auf Seereisen nach Norwegen und dem Mittelmeere. — Die Kaiserin Auguste
viktoria unterstützt ihren hohen Gemahl in der Fürsorge für das deutsche Volk, indem
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