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aber unter den schwachen Fürsten gelangten fie zu immer größerer Be¬
deutung. Sie vertraten den König im Rat und im Gericht; für den minder¬
jährigen König führten sie die Regierung, und bei der Austeilung der
Lehen hatten sie die entscheidende Stimme. Der bedeutendste Hausmeier
war Karl Martell (Hammer); denn er hat die abendländische Christenheit
und die germanische Kultur gegen den Ansturm der Araber verteidigt. Die
Araber hatten sich über das nördliche Afrika verbreitet und von da aus das
Westgvteureich in Spanien gestürzt. Sie überschritten die Pyrenäen und be¬
drohten das Frankenreich. Karl rief alle Franken zum Kampfe gegen die
Araber aus und besiegte sie in einer blutigen Schlacht auf der Ebene zwischen
Tours und Poitiers 732. Nach diesem großen Siege erhielt er den Bei¬
nahmen Hammer oder Martell. Sieben Jahre daranf schlag er die Araber
noch einmal, so daß sie keinen Angriff auf das Frankenreich mehr wagten. —
Karls Nachfolger war sein Sohn Pippin der Kurze, der wie ein selbständiger
Fürst über das Reich herrschte; denn der letzte Merowinger Childerich war
nur ein Schattenkönig. Zu seiner Macht wollte Pippin nun auch den könig¬
lichen Namen erwerben. Dieses Ziel erreichte er mit Hilfe des Papstes
Zacharias. Ans dessen Zustimmung konnte Pippin rechnen, weil dieser die
Hilfe des mächtigen Hausmeiers brauchte, als er von den Langobarden hart
bedrängt wurde. Pippin sicherte ihm seine Unterstützung zu, ließ ihn aber
fragen: „Wer verdient König der Franken zu sein, derjenige, der müßig
zu Hause sitzt, oder derjenige, der die Mühen und Lasten der Regierung
trägt?" Der Papst entschied sich für Pippin, und nun machte sich dieser auf
einer Reichsversammlnng zum Könige. Childerich wurde in ein Kloster ge¬
schickt. — Pippin zeigte sich dem Papste dankbar. Zacharias' Nachfolger
wurde ebenfalls von den Langobarden bedroht. Er floh nach Gallien, salbte
Pippin und seine Söhne Karlmann und Karl zu Königen und ernannte den
Frankenkönig zum Schutzherrn von Rom. Pippin besiegte nun die Lango¬
barden, führte den Papst nach Rom zurück und schenkte ihm das Land um
Rom und den Küstenstrich Ravenna und Umgebung; diese Pippinsche Schenkung
ist der Anfang des Kirchenstaates.
2. Größte Ausdehnung. Pippins Nachfolger >var Karl der Große von
768—814, der eine große Lebensaufgabe löste; er vereinigte nämlich alle
dentschen Stämme und faßte sie in die christliche Kirche zusammen. (Siehe
1. Teil.) Karl ist der Gründer des gewaltigen Karolingerreiches, das Frank¬
reich, das nördliche Spanien bis zum Ebro, Nord- und Mittel-Italien
und Deutschland nach Osten bis zur Raab und Elbe und nach Norden bis
zur Eider umfaßte.
3. Zerfall des Reiches, u) Ludwig der Fromme und seine Söhne.
Karls Nachfolger war sein Sohn Ludwig der Fromme, so genannt, weil
er fleißig den Gottesdienst besuchte und den Kirchen und Klöstern große
Schenkungen machte. In der Regierung zeigte er die größte Schwäche. Gegen
die Lehnsträger war er so nachsichtig, daß sie sich als Herren der Güter
betrachteten. Schon zu seinen Lebzeiten setzte er feinen ältesten Sohn Lothar
zuni Mitkaiser und Erben des gesamten Reiches ein. Die beiden jüngeren