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Er zählt die Schläge, die sie pickt,
er forschet, wie der Weiser rückt;
es fragt ihn, ob er noch leb’ vielleicht,
wenn der Zeiger die schwarze Drei erreicht.
Die Wartfrau sitzt geduldig dabei,
harrend, bis alles vorüber sei. —
Schon auf dem Herzen drückt ihn der Tod;
und draußen dämmert das Morgenrot.
An die Fenster klettert der Frühlingstag,
Mädchen und Vögel werden wach,
die Erde lacht in Liebesschein,
Pfingstglocken läuten das Brautfest ein;
singende Burschen zieh’n übers Feld
hinein in die blühende, klingende Welt. —
Und immer stiller wird es drin;
die Alte tritt zum Kranken hin.
Der hat die Hände gefaltet dicht;
sie zieht ihm das Laken übers Gesicht,
dann geht sie fort. Stumm wird’s und leer,
und drinnen wacht kein Auge mehr.
Gediohte, 12. Aufl. 1900. Storni.
27. Kannitverstan.
J)er Mensch hat wohl täglich Gelegenheit, in Emmendingen
oder Gundelfingen so gut als in Amsterdam, Betrachtungen über
den Unbestand aller irdischen Dinge anzustellen, wenn er will, und
zufrieden zu werden mit seinem Schicksal, wenn auch nicht viel
gebratene Tauben für ihn in der Luft herumfliegen. Aber auf dem
seltsamsten Umweg kam ein deutscher Handwerksbursche in Amsterdam
durch den Irrtum zur Wahrheit und zu ihrer Erkenntnis. Denn als
er in diese große und reiche Handelsstadt voll prächtiger Häuser,
wogender Schiffe und geschäftiger Menschen gekommen war, fiel ihm
sogleich ein großes und schönes Haus in die Augen, wie er auf
seiner ganzen Wanderschaft von Duttlingen bis nach Amsterdam noch
keines erlebt hatte. Lange betrachtete er mit Verwunderung dies
kostbare Gebäude, die sechs Kamine aus dem Dach, die schönen Gesimse
und die hohen Fenster, größer als an des Vaters Haus daheim die