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aber jagte er mit Nero, dem Hofhunde eines nahen Bauern¬
gehöftes, durch Feld und Garten. Eines Tages aber war Nero
nicht auf dem Hofe, als ihn Karl holen wollte; dafür saß das
kleine Kätzchen mit seinem schneeweißen Sammetpelz vor dem
offenen Scheunentor. Aber Miezchen war schlechter Laune und
wollte sich nicht an Karls Spiel beteiligen. Als er es streicheln
wollte, floh es über die Tenne, und mit schnellen Sätzen war es
die Leiter hinauf nach dem obersten Balken. „Warte!“ sagte
Karl, „du denkst, ich kann nicht klettern?“ Und blitzschnell
war er hinterher. Schon war er dem Tierchen so nahe, daß es
zornig den Rücken krümmte, da rutschte eine Sprosse der Leiter
ab, und mit gellendem Schrei stürzte er hinunter.
Uber die nächsten Tage wußte Karl später nichts zu
sagen. Als er zur Besinnung kam, lag er im Krankenhause.
Vor seinem Bette standen zwei Männer mit goldenen Brillen
und eine freundliche Frau mit weißer Haube, welche die Ärzte
Schwester nannten. Er wollte der Schwester die Hand zum
Gruße reichen, da schrie er abermals laut auf; denn er mußte
die linke nehmen, weil man ihm den rechten Arm abgenommen
hatte. Und nun merkte er auch, daß er eins von seinen flinken
Beinen nicht rühren konnte, weil es starr in einem harten Ver¬
bände lag.
Mit einem Arm, mit steifem Knie, so hatte man ihn heute
ins Elternhaus zurückgebracht. Und nun ruhte er auf seinem
Schmerzenslager und konnte ein Wort nicht vergessen, das er
von einer mitleidigen Nachbarin gehört hatte, als man ihn vom
Wagen hob. „Ach der arme Krüppel!“ hatte die unvorsichtige
Frau ausgerufen, und nun waren seine Gedanken auf eine Ge¬
stalt gefallen, die an Krücken durchs Dorf schlich und vor den
Türen bettelte. „Pottschulte“ nannte man den unglücklichen
Krüppel, weil er Schulze hieß und zu Mittag immer um einen
Pott (— Topf) Essen bat. Zu jeder Hochzeit stellte er sich ein
und dann waren die Kinder um ihn herum und holten ihm Ku¬
chen aus dem Hochzeitshause, besonders wenn er ihnen das Lied
sang „Hochtid ist hüt“. Aber einmal hatte ein roher Bursche
dem armen Manne die Krücken fortgeworfen, und da war er
weinend auf Händen und Füßen hinterher gekrochen. Bei dem
Gedanken an dieses Erlebnis rief Karl in tiefstem Schmerz:
„Mutter, bin ich denn auch so ein Krüppel wie Pottschulte?
Muß ich nun auch betteln?“ Die Eltern waren so erschrocken,