65 
du wohl zu thun, du wachst ja noch mit dem andern, und der 
kleine Bösewicht soll nicht aus seinem Loch heraus." Also 
that sie das eine Auge zu und schaute mit dem andern steif 
auf das Mäuseloch. Der kleine Kerl guckte mit dem Kopfe 
heraus und wollte wegwitschen; aber die Eule trat gleich da¬ 
vor, und er zog den Kopf wieder zurück. Dann that die Eule 
das eine Auge wieder auf und das andere zu, und wollte so 
die ganze Nacht abwechseln. Aber als sie das eine Auge 
wieder zu machte, vergass sie, das andere aufzuthun, und so¬ 
bald die beiden Augen zu waren, schlief sie ein. Der Kleine 
merkte das bald und schlüpfte weg. 
Von der Zeit an darf sich die Eule nicht mehr am Tage 
sehen lassen, sonst sind die Vögel hinter ihr her und zerzausen 
ihr das Fell. Sie fliegt nur zur Nachtzeit aus, hasst aber und 
verfolgt die Mäuse, weil sie solche böse Löcher machen. Auch 
der kleine Vogel lässt sich nicht gern sehen, weil er fürchtet, 
es gehe ihm an den Kragen, wenn er erwischt werde. Et 
schlüpft in den Zäunen herum, und wenn er ganz sicher ist, 
ruft er zuweilen: „König bün ick!" und deshalb nennen ihn die 
andern Vögel aus Spott Zaunkönig. 
(Gebrüder Grimm.) 
71. Die Elster und der Kiebitz. 
Unter den Rabenarten ist keine so schön geschmückt, als die 
Elster; denn neben schwarzen nnd weißen Federn besitzt sie auch 
grüne, violett und blau schillernde, namentlich auf dem Rücken, in 
den Flügeln und in dem langen, keilförmigen Schwänze. Der 
Schnabel ist stark und am Grunde mit vonvärts gerichteten Borsteir- 
federn besetzt. 
Sie Hält sich am liebsten in größeren Baumgärten in der Nähe 
menschlicher Wohnungen auf und durchstreift von da aus die nächste 
Umgegend. Ihre Nahrung besteht hauptsächlich in Insekten und 
Würmern, doch verzehrt sie auch Mäuse und verfolgt mit großer 
Begier die kleinen Singvögel und deren Junge. Will inan daher 
den Gesang der Vögel und ihre Hülfe beim Wegfangen der Raupen 
nicht entbehren, so muß man dafür sorgen, daß sich die Elstern nicht 
zu stark vermehren. 
Junge Elstern lassen sich leicht zähmen und lernen Worte 
nachsprechen. Wegen ihrer Neigung, glänzende Dinge zu verstecken, 
ist es aber nicht sehr ratsam, sie im Hause zu halten, wie folgende 
Geschichte beweist. 
In dem Hause eines Bürgers zu Paris, in dem eine Elster 
frei umher lief, kam kurz hintereinander viel Silberzeug weg. Der 
Verdacht fiel auf die Magd im Hause, und der Mann war so er¬ 
zürnt, daß er diese dem Gericht übergab. Da sie leugnete, wurde 
sie nach damaliger Sitte auf die Tortur gebracht, und gestand hier, 
um von den unerträglichen Qualen befreit zu werden, das an- 
Schraep, Lese- und Lehrbuch II., 2. 5
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.