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die Augen zu. „Bist du es, Fritze Schmidt?“ fragte der Knabe. „Ja,“ entgegnete der
Kronprinz, „Fritze heiße ich auch, aber nicht Schmidt.“ Dann ließ er los. Der Knabe
wußte gar nicht, was er sagen sollte, als er jetzt den Kronprinzen erblickte. Seine Freude
wurde aber noch größer, als ihm am anderen Tage die Photographie des Kronprinzen mit
der Unterschrift „Fritz“ ins Haus gebracht wurde.
5. Als Gutsherr. Während des Sommers bewohnte die kronprinzliche
Familie oft das „Neue Palais“ bei Potsdam. In der Nähe desselben liegt das
Gut Bornstedt, das Eigentum des Kronprinzen war. Er sowohl wie seine
hohe Gemahlin verkehrten in leutseligster Weise mit den Bewohnern des Dorfes
und waren ganz besonders um das Wohl und Wehe ihrer Tagelbhner besorgt—
So ließ ihnen der Kronprinz hübsche, geräumige Wohnungen erbauen, und
seine Gemahlin besuchte
nicht selten die Familien,
erkundigte sich nach ihrem
Befinden und stand ihnen
in Krankheitsfällen mit
Rat und Tat zur Seite.
Des Sonntags sah man
die kronprinzliche Familie
regelmäßig in der Kirche,
und am Erntefeste nahm
sie teil an der Freude
ihrer Arbeiter Am
Weihnachtsfeste wurden
alle, die auf dem Gute
beschäftigt waren, reich
beschenkt. Darauf ging
es in die Schule. Hier
wurden einige Lieder ge—
sungen; dann empfingen
e eße aus den
erie; änden des Kronprinzen,
Der Kronprinz in der Schule. n
Händen der Kronprinzessin Kleidungsstücke, Bücher, Schreibhefte und sonst allerlei
nützliche Geschenke.
Zuweilen erschien auch der Kronprinz während des Unterrichts in der Schule des
Dorfes und freute sich, wenn er sah, daß die Kinder gute Fortschritte gemacht hatten.
Einmal war er eben in die Schulstube getreten. Da erschien plötzlich der Briefbote mit
einer Depesche an den Lehrer, durch die er an das Sterbebett seiner hochbetagten Mutter
gerufen wurde. Als der Kronprinz den schmerzlichen Inhalt der Depesche erfahren hatte,
sagte er zum Lehrer: „Eilen Sie, und erfüllen Sie den sehnsüchtigen Wunsch Ihrer Mutter!“
„Aber meine Klasse — meine Kinder!“ entgegnete der Lehrer. „Die übernehme ich,“ ver—
setzte der Kronprinz. „Eilen Sie, daß Sie Ihre gute Mutter womöglich noch lebend an—
treffen!“ Der Lehrer reiste ab, und der Kronprinz stellte sich auf das Pult und prüfte die
Kinder eine Stunde lang in der Geschichte.
Ein andermal wohnte er einer Naturgeschichtsstunde bei Es war von den Laub—
bäumen die Rede. Er ließ verschiedene Bäume neunen. Zuletzt fragte er: „Was für ein
Baum steht denn am Eingange des Schlosses?“ Nur ein Knabe wußte, daß es eine Esche
war Der Kronprinz freute sich über den Knaben und nahm ihn später als Kutscher in
seinen Dienst.