Full text: Anschaulich-ausführliches Realienbuch

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getötet, so soll er 36 Schilling zahlen. Wenn ein Freier dem anderen den Daumen 
abschlägt, so soll er 50 Schilling schuldig sein ꝛc. Bei Berechnung des Wergeldes 
gilt ein Ochse 2, eine Kuh 1, ein Hengste6, ein Schwert mit der Scheide J, ein 
Helm mit Spitze 6 Schilling ꝛc. 
2. Gottesurteile. Wenn es dem Richter nicht gelingen wollte, Schuld oder 
Unschuld eines Angeklagten festzustellen, so griff er — besonders bei Frauen und 
Sklaven — zum Gottesurteil. 
Man glaubte nämlich, daß Gott 
den Unschuldigen in seinen Schutz 
nehmen und zu seinen Gunsten die 
Naturgesetze aufheben werde. Das 
am häufigsten angewandte Gottes⸗ 
urteil war die Probe des heißen 
Wassers. Bei dieser wurde ein 
Stein an einer Schnur in einen 
Kessel mit siedendem Wasser ge— 
halten. Der Angeklagte mußte 
diesen Stein mit bloßem Arme 
herausheben. Zeigte der Arm 
nach 3 Tagen Brandwunden, so 
war damit die Schuld bewiesen. en 
Eine andere häufig ange— Golncsurtei. 
wandte Probe war die Feuerprobe. 
Dabei mußte der Verklagte über 6, 9 oder 12 glühende Pflugschare mit bloßen Füßen 
hinwegschreiten oder ein glühendes Eisen eine Strecke weit in der bloßen Hand 
forttragen. Verbrannte er sich dabei, so galt er für schuldig und hatte meistens 
eine qualvolle Todesstrafe zu erleiden. Auch der Zweikampf und das Los wurden 
in einzelnen Fällen angewandt, um Schuld oder Unschuld darzutun. An die 
Stelle des blutigen Zweikampfes wurde später von den Geistlichen die Kreuzprobe 
gesetzt. Während nämlich der Priester die Messe las, mußten Kläger und An— 
geklagter mit ausgebreiteten Armen vor einem Kreuze unbeweglich stehen. Wer 
die Arme zuerst sinken ließ, wurde für schuldig erklärt. 
Bei einem Morde wurde gewöhnlich das Bahrrecht angewandt. Der des Mordes 
Verdächtige mußte dabei an die auf einer Bahre liegende Leiche herantreten und mit der 
Hand einigemal die Wunden des Erschlagenen berühren. Fingen hierbei die Wunden an 
n oder zeigte sich Schaum vor dem Munde des Toten, so galt der Angeklagte für 
uldig. 
15. Karl der Große. 768 —814. 
1. Bedeutung. Unter den Fürsten des Frankenlandes nimmt Karl d. Gr. 
Pipins des Kurzen Sohn, die hervorragendste Stelle ein. Sein Reich erstreckte sich 
anfangs über das heutige Frankreich, Baden, Württemberg, Bayern und Thüringen. 
Das hohe Ziel, das er sich gesteckt hatte, war, alle deusschen Stämme zu einem 
Reiche zu vereinigen und in diesem Reiche die christliche Kirche zur Herrschaft zu 
bringen. Zu seiner Zeit waren es von allen deutschen Völkern nur noch die Sachsen, 
die als Heiden in alter Selbständigkeit fortlebten. Als seine Hauptaufgabe be— 
trachtete er es daher, dieses Land seinem Reiche einzuverleiben und die Bewohner 
desselben für das Christentum zu gewinnen. — In seiner Gesinnung war Karl 
durch und durch deutsch, und daher lebt er in Sagen und Liedern als ein echt 
deutscher Mann fort. 
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