Full text: Realienbuch für Berlin und Vororte

4 
und ihre Treue, mit der sie das gegebene Wort hielten und ihrem Führer bis 
in den Tod folgten, ihre Keuschheit und unbegrenzte Gastfreunds chaft*). 
Sie besaßen eine hohe Achtung vor der einzelnen Persönlichkeit; hierin 
wurzelte bei ihnen die Unverletzlichkeit des Körpers und des Hauses, das Recht 
der Selbsthilfe und Fehde. Über alles aber ging den Germanen ihre Freiheits¬ 
liebe. Den Tugenden standen die Laster der Trunksucht und Spielsucht 
gegenüber, zu denen die Anschauung verführte, daß der freie Mann außer Krieg 
und Jagd keine Beschäftigung haben dürfe. Gewöhnlich wurde um Rinder und 
Pferde, Schafe und Schweine, Knechte und Mägde gespielt; aber auch Haus und 
Hof, Weib und Kind, ja selbst die eigene Freiheit wurde aufs Spiel gesetzt. 
(Daher die Redensart: er setzt sein Leben aufs Spiel.) Als Trinkgefäße wurden 
gern die Hörner des Auerochsen be¬ 
nutzt. In der Trunkenheit brach oft 
die Streitsucht hervor und führte 
zu schweren Bluttaten. 
8. )Iltgernianiscke Holen- 
bestaNung. Ihre Toten verbrannten 
die Germanen auf dem Scheiterhaufen. 
Die Asche wurde meistens in einer Urne 
aufbewahrt, die man in einer Stein¬ 
kammer unter einem Hügel beisetzte. 
Die Küstenvölker ließen den Toten in 
einem angezündeten Schiff auf dem 
Meere verbrennen. Dem Hausherrn 
folgten Tiere und Knechte in den Tod, 
bei einigen Stämmen auch die Frau^). 
An vielen Orten hat man auch ver- 
Steiusetzung mit Knochenurnen, steinerte Gerippe in sitzender und liegender 
von der Erde befreit. Aus Niederdeutschland. Stellung aufgefunden, ein Zeichen, daß die 
Im Museum für Völkerkunde zu Berlin. Toten auch begraben wurden. In solchen 
Gräbern findet man häufig Stemhammer, 
Schwerter, Ringe u. dgl., sowie Töpfe und Schalen, in denen man den Toten Speise 
und Trank mitgab. 
b. Familienleben. 
1. Vermählung. Die Braut wurde vom Bräutigam gekauft, in weiter 
zurückliegenden Zeiten auch geraubt. Ein angesehenes Mitglied aus der Sippe 
(S. 6) des Freiers besprach sich mit dem Vater des Mädchens oder wer 
sonst ihr Muntwalt war (Munt — Schutz, daher Vormund). Wurde die 
Werbung angenommen, so einigte man sich über die Höhe des Entgelts, das 
der Freier an die Sippe des Mädchens zu entrichten hatte und das als Ersatz 
dafür galt, daß diese ein arbeitstüchtiges Mitglied weggab. Das Entgelt oder 
der Muntschatz bestand in Rindern (S. 3), in einem Roß mit voller Auf- 
zäumuug oder in Waffen. Dann wurde die Verlobung vollzogen. Die Ver¬ 
mählung fand in dem festlich geschmückten Hause der Braut vor den beiderseitigen 
Verwandten statt und wurde gewöhnlich in die Zeit nach der Ernte verlegt. Als'
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.