fullscreen: Die Geschichte des Mittelalters (Bd. 2)

121. DaS byzantinische Reich und die Osmanen. 
641 
der Verzweiflung noch Stand gegen die Uebermachi des hundertmal stär¬ 
keren Feindes. Von beiden Seiten sind die Verluste gleich bedeutend. 
Doch ist die Hoffnung des endlichen Sieges selbst jetzt noch auf Seiten 
der Griechen. Mit unendlichem Jubel sehen sie die Reihen der Janit- 
scharen noch einmal zurückweichen. Aber Mohammed kann diesen Anblick 
nicht ertragen, er läßt sie mit Gewalt durch seine mit eisernen Ruthen 
bewaffneten Trabanten nach der Mauer zurücktreiben und der Angriff 
wird mit erhöhter Wuth zum dritten Male erneuert. Ein Janitschar, 
Hasan mit Namen, ein Riese von Gestalt, ersteigt zuerst die Mauer, 
Andere folgen ihm. Mit Blitzesschnelle verbreitet sich von einem Ende 
zum anderen der Weheruf: „Die Stadt ist genommen, das Panier der 
Feinde weht auf den Mauern, auf der Burg!" Sobald Kaiser Con- 
stantin dies hört, stürzt er sich mit einigen Getreuen in den dichtesten 
Haufen der hereinbrechenden Osmanen, macht alles, was er mit seinem 
Schwert erreichen kann, nieder, und hält, mit Wunden bedeckt, fast allein 
den Kampf noch eine Weile aus. Er wollte das Unglück seines Hauses 
und die Schmach dieses Tages nicht überleben und wich keinen Fuß breit 
von der Stelle. Nur hätte er gern den Todesstoß nicht von den Schwer¬ 
tern dieser Ungläubigen, sondern von der Hand eines Christen gehabt. 
„Ist kein Christ hier?" rief er in wehmüthiger Verzweiflung, als ihm 
das Blut schon in Strömen von Händen und Füßen floß und seine 
Getreuen rund um ihn herum als Leichen den Boden deckten; ist Kei¬ 
ner hier, der mir das Haupt abschlügt?" — Da dringen drei Janit- 
scharen zu gleicher Zeit auf ihn ein; der eine zerfleischt ihm von vorn 
das Gesicht, der zweite spaltet ihm das Haupt und der dritte gibt ihm 
den Todesstoß in den Nacken. Da sich der Kaiser vorher der Zeichen 
seiner Würde entkleidet hatte, so blieb sein Körper, von Niemand er¬ 
kannt, unter den Leichen der übrigen Erschlagenen liegen. Das war das 
Ende des letzten Beherrschers des byzantinischen Reiches, welcher damals 
kaum sein vierzigstes Jahr überschritten hatte und schon durch die Art, 
wie er das Unglück seines Reiches, welches, gleichsam das traurige Erb- 
theil der Jahrhunderte, auf ihm lastete, zu ertragen wußte, den Besse¬ 
ren seines Stammes würdig zur Seite steht. 
Im Innern der Stadt dauerte indessen das Blutbad fort. Denn 
die Osmanen machten Anfangs, in dem Glauben, daß die Besatzung 
wenigstens 50,000 Mann stark gewesen sein müsse, Alles nieder, was 
ihnen begegnete. Erst als sie ihres Jrrthums inne wurden, zogen sie 
es vor, lieber die ganze Bevölkerung in Fesseln zu schlagen und in die 
Sclaverei zu schleppen. Um dieser zu entgehen, strömte Alles, Män¬ 
ner und Weiber, Mönche und Nonnen, in die Sophienkirche, welche in 
wenigen Augenblicken überfüllt war. Nur das Leben und die Freiheit 
wollte man retten. Denn einer alten Prophezeiung zufolge herrschte 
unter dem Volke der Glaube, daß die Türken nur bis au die Säule 
Constantin's des Großen Vordringen würden. Hier sollte ihnen ein 
Engel entgegentreten, welcher einem unbekannten Manne aus dem Volke 
ein Schwert überreichen würde, mit dessen Hülfe er die Osmanen aus 
Pütz. Histvr. Darstell, u. Charakteristiken. 71. 41
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.